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Nein, danke: Viele Menschen möchten sich und ihr Haus nicht im Internet wiederfinden.

© dpa

Street View: Wenn’s nur Google wäre

Niemand außer Google weiß wirklich, was Google über uns weiß. Der beste Umgang mit unserem Namen im Netz ist der bewusste Umgang. Und da nimmt sich neben Facebook & Co. Google Street View eher harmlos aus.

Den weitestgehenden Vorschlag zur Frage, wie man Google & Co. bändigen kann, hat Eric Schmidt vorgebracht. In Zukunft, sagt er, soll einfach jeder Jugendliche bei Erreichen der Volljährigkeit seinen Namen ändern können und das Problem mit den im Internet für die Ewigkeit festgehaltenen Jugendsünden wäre gelöst.

Der Google-Chef hat damit natürlich nicht sein Datensammelimperium gemeint, sondern die sozialen Netzwerke, in denen sich Jugendliche heute bewegen wie früher im nächsten Jugendhaus. Und ja, die Zuordnung über das Gesicht und sonstiges Datenmaterial ist auch bei einer Namensänderung kein Hexenwerk. Aber Schmidt, der meint, wir könnten uns gar nicht vorstellen, wie sich das Leben mit all den verknüpften Informatioen verändern wird, trifft einen unbequemen Kern: Vor Google & Co. kann uns kein Staat schützen.

Ist die ganze Aufregung um Google Street View also unangemessen?

Wenn Innenminister Thomas de Maizière das allgemeine Unbehagen verspottet, drückt er genau das aus. Aber selbst de Maizière gibt dem Druck des Schutzbedürfnisses nach – weil es ein legitimes ist. Es kann sein, dass die Deutschen eine spezielle Sensibilität in der Frage entwickelt haben, wer sich und mit welchen Methoden einen Überblick über ihr Privatleben verschafft. Das Unbehagen mag in Deutschland historisch verstärkt sein. Deshalb auch hat das Leben der anderen die Deutschen in die Kinos gezogen, und darum pflegen wir seit dem Volkszählungsurteil eine große Empfindsamkeit.

Allerdings stand auch am Anfang der Street-View-Fahrten auf den britischen Inseln der Protest gegen die Fotos von Häusern, Straßen, Menschen. Im Frühjahr 2009 musste, so wurde berichtet, in der Stadt Milton Keynes die Polizei anrücken, weil wütende Anwohner das Google-Auto blockierten. Dabei sind die Briten nicht als die größten Datenschützer bekannt.

Der Bezugspunkt einer ungewöhnlichen Koalition gegen Street View ist die Moderne. Die CSU- Ministerin reiht sich ein neben dem grünen Gemeinderat, dem linken Staatsfeind und dem wertkonservativen Bürger. Aber wenn schon eine ebenso milieuübergreifende Bewegung in Stuttgart gegen die Modernisierung ihrer Stadt mit einem Bahnhof Sturm läuft, als ginge es darum, die Heimat zu verteidigen – um wie viel größer muss dann das Misstrauen gegen ein Modernisierungsprojekt sein, das in alle Lebensbereiche eindringt? Die Digitalisierung der persönlichen Lebenswelt vollzieht sich in hohem Tempo. Nicht nur älteren Menschen fällt es schwer, mitzuhalten. Umso stärker wird der Wunsch vieler, den Zug zu stoppen – damit man vielleicht später kontrolliert zusteigen kann.

Niemand außer Google weiß wirklich, was Google über uns weiß. Noch weniger wissen wir, welche Datenverknüpfungen künftig möglich werden. Hilflos wirkt da die Forderung des Bundesdatenschützers Peter Schaar nach einem Verbot der Bildung von Persönlichkeitsprofilen. Zu kurz gegriffen erscheint der Ansatz einer differenzierten Widerspruchslösung des Innenministers. Und bisher hört man von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nur Allgemeines zur Anpassung an die Digitalisierung.

Selbstverständlich brauchen wir Bürger eine Widerspruchslösung, die nicht von Googles Gnaden ist. Trotz allen Gepolters, das wohl der Profilierung dienen soll, wird es angesichts des engen Handlungsspielraums eine Einigung im Kabinett geben. Der Staat kann das digitale Persönlichkeitsrecht Einzelner gegenüber Unternehmen auch in anderen Bereichen schützen. Zur allgemeinen Gelassenheit würde sicher beitragen, die tatsächlichen Möglichkeiten unter Verzicht auf Koalitionszänkereien zügig zu benennen und umzusetzen. Eine lokale Geschwindigkeitsbegrenzung sozusagen.

Die Insel der seligen Analogen wird es aber nirgendwo mehr geben. Der beste Umgang mit unserem Namen im Netz in der Bürgergesellschaft 2.0 ist der bewusste Umgang. Und da nimmt sich neben Facebook & Co. Google Street View eher harmlos aus.

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