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Streik der Lehrer: Schule der Ration

Lehrer in Berlin haben es nicht nur schwer, sie werden auch noch schlecht behandelt. Dabei braucht Berlin leistungsfähige und motivierte Lehrkräfte. Jede Investition in die Bildung ist eine Investition in die Zukunft der Stadt.

Lehrerbashing ist ja so eine Art Volkssport geworden. Allerdings reicht’s bei den meisten Teilnehmern nur zur Kurzstrecke: dem schnellen Vorurteil. Ja klar, es gibt auch faule Lehrer, und die Beamten unter ihnen haben einen sicheren Job und die Aussicht auf eine satte Pension. Auch kann einem die Gewerkschaftslyrik mit ihren erregten Übertreibungen und unsauberen Vergleichen zuweilen schon gehörig auf die Nerven gehen – nicht jeder krankgemeldete Lehrer ist ein Opfer des Berliner Bildungssenators, und nicht in jedem anderen Land werden Pädagogen artgerecht gehalten.

Was aber bei der gepflegten Lehrerbeschimpfung geflissentlich außer Acht gelassen wird, sind die zuweilen katastrophalen Zustände an den Schulen und die teils enormen zeitlichen und psychischen Belastungen. Die Zahl der Unterrichtsstunden ist ja nur ein Faktor von vielen; aber von diesem leiten sich die meisten anderen ab. Vorbereitung, Nachbereitung, Betreuung, Trost, Motivation, Weiterbildung: Wer nur mit ein bisschen Empathie für die Schüler und vielleicht sogar etwas Herzblut an die Arbeit geht, kommt schnell auf Arbeitszeiten, von denen andere nur alpträumen. Das Bild vom Lehrer, der sich von Urlaub zu Urlaub hangelt und dazwischen den immer gleichen alten Lehrstoffbrei aufwärmt, ist für die allermeisten von ihnen allenfalls tauglich als Karikatur.

Berliner Lehrer haben in den vergangenen Jahren unter dem Spardiktat verschiedener eifriger Finanzsenatoren erhebliche Einbußen an Einkommen und Erholungszeit hinnehmen müssen. Da ging es ihnen so wie vielen anderen Berufsgruppen auch. Und noch immer haben verbeamtete Lehrer einige Privilegien, die andere ihnen neiden.

Das Verhalten der Politik ihnen gegenüber steht allerdings in einem krassen Widerspruch zu ihren Reden und Versprechen. CDU und FDP, SPD, Grüne und Linke, sie alle behaupten, Bildung sei ganz enorm wichtig, das große Zukunftsthema überhaupt, die Basis für eine gute gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Wer das ernst meint, der muss dann auch in Bildung investieren, Zeit, Ideen, Geld. Und das bedeutet eben auch: in Lehrer und ihre Arbeit investieren.

Tatsächlich aber haben es Lehrer in Berlin im Allgemeinen nicht nur schwerer als Lehrer in Heileweltshausen, nein: sie werden hier auch noch schlechter behandelt. So fliehen die Jüngeren gerne mal in andere Bundesländer – und die Älteren erschöpft in die Resignation. Da etwas Entlastung zu schaffen, was zu frischerem Unterricht führen kann, kostet 75 Millionen Euro. Viel Geld. Aber zu viel für eine Stadt, die aus Mangel an Alternativen auf Bildung setzen muss?

Mehrere tausend Lehrer haben am Dienstag ein paar Stunden Unterricht ausfallen lassen und auf diese Umstände hingewiesen. Der Bildungssenator reagierte formal, also dienstrechtlich: Beamte dürfen nicht streiken. Die öffentliche Ordnung haben die Lehrer wohl kaum bedroht. Eine Gefahr dafür geht zur Zeit eher von der Politik aus – hoffentlich bald schon Stoff für den Geschichtsunterricht.

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