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Der türkische Ministerpräsident Erdogan.

© dapd

Streit um Jet-Abschuss: Die Türkei riskiert ihre Glaubwürdigkeit

Wo wurde der türkische Jet von den Syrern abgeschossen? Wer an der offiziellen Version der türkischen Regierung zweifelt, gilt schnell als Vaterlandsverräter. Die Regierung Erdogan versucht, ihre Kritiker mundtot zu machen.

Im Streit zwischen den Nachbarn Türkei und Syrien über den Abschuss des türkischen Militärjets Ende Juni geht es nicht nur darum, wer die Verantwortung für den tödlichen Zwischenfall trägt und ob die Maschine im internationalen Luftraum oder auf syrischem Gebiet getroffen wurde. Es geht auch darum, wem man eher glauben kann. Der Wert der Währung Glaubwürdigkeit steigt vor allem in Zeiten von Krisen und Spannungen.

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Wenn sich die Assad-Diktatur im Streit um den Abschuss der Desinformation bedient, wird das niemanden wundern. Doch die Türkei sollte sich vor solchen Versuchen hüten. Denn sie riskiert viel mehr als Syrien: eine Beschädigung ihres Ansehens als Regionalmacht und als verlässlicher Akteur auf der internationalen Bühne. Dass in der Türkei überhaupt darüber gestritten wird, ob die Regierung mit ihrer Version eines Abschusses im internationalen Luftraum richtig lag, sollte eigentlich ein Grund zur Freude für das Land sein: Jenseits der Grenze, in Syrien, wird in der Öffentlichkeit nicht gestritten, dort sind keine Medien erlaubt, die herausfinden wollen, ob ihre Regierung nun wirklich die Wahrheit sagt oder nicht.

Doch statt Freude über demokratische Errungenschaften gibt es in Ankara leider Anzeichen dafür, dass die Regierung keine kritischen Fragen zu ihrer Position im Abschuss-Streit hinnehmen will. Vize-Premier Bülent Arinc rief die Medien des Landes auf, nicht darüber zu spekulieren, ob die Maschine nun innerhalb oder außerhalb des syrischen Luftraums getroffen wurde. Die Stellungnahmen der türkischen Behörden seien schließlich eindeutig. Presse und Fernsehen sollten „nicht mit ausländischer Desinformationen“ arbeiten, warnte Arinc, der in der Regierung für Medienfragen zuständig ist und auch als Regierungssprecher fungiert.

Kritische Journalisten werden zu Vaterlandsverrätern gestempelt

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ging noch weiter und hielt kritischen Kommentatoren vor, sie gebärdeten sich wie vaterlandslose Gesellen. Wer es wagt, die Stellungnahmen der Erdogan-Regierung zu hinterfragen, wird zum Vaterlandsverräter gestempelt.

Vielleicht ist Erdogan so nervös, weil für die Türkei einiges auf dem Spiel steht. Gestützt auf die These vom Abschuss im internationalen Luftraum erbat und erhielt die Türkei die grundsätzliche Rückendeckung der Nato. Sollte sich diese These als falsch erweisen, werden die Partner möglicherweise nicht mehr ganz so solidarisch sein wollen, wenn Ankara in Zukunft erneut wegen Syrien die Alarmglocken schrillen lässt. Auch das Ansehen der Türkei im Nahen Osten basiert zu wichtigen Teilen auf der Glaubwürdigkeit der türkischen Politik.

Die Erdogan-Regierung steht deshalb vor der Wahl. Sie kann überzeugende Antworten auf die lauter werdenden Fragen nach ihrer bisherigen Position finden. Oder sie kann zugeben, dass sie sich geirrt hat und das Fluas Flugzeug doch im syrischen Luftraum war, als es getroffen wurde. In diesem Fall müsste sie auch erklären, was die Maschine dort überhaupt zu suchen hatte. Aber den Medien einfach den Mund zu verbieten, ist keine Methode für einen Staat, der sich als demokratischer Vorreiter und aufstrebende Regionalmacht betrachtet.

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