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Stau, wohin man blickt, vor allem in den Sommermonaten: Warum lieben die Deutschen ihr Auto nur so sehr?

© dpa

Stress durch Straßenverkehr: Eine Seuche namens Autofahren

Autofahren ist langsam, relativ teuer, tötet oder verkrüppelt Menschen. Ganz klar: Deutsche Straßen müssen leerer werden. Dafür muss der öffentliche Personennahverkehr ausgebaut und das überflüssige Fahren vor allem in der Innenstadt deutlich verteuert werden.

Von Lutz Haverkamp

Heute schon im Stau gestanden? Selbst schuld! Heute schon über die Spritpreise geärgert? Selbst schuld! Heute schon die Baustellen verflucht? Auch selbst schuld! Deutschland fährt Auto. Falsch! Deutschland steht im Auto – besonders zu Ferienzeiten. Und das auf kaputten Straßen, in verstopften und mit Feinstaub belasteten Innenstädten, auf verrosteten Brücken und überfüllten Autobahnen. Autofahren ist langsam, relativ teuer, tötet oder verkrüppelt Menschen. Autofahren ist eine Seuche.

Dass die Straßen und Autobahnen – die älteste von ihnen wird morgen 80 Jahre alt – oftmals in einem erbarmungswürdigen Zustand sind, liegt zwar auch an kalten, nassen Wintern. Zuallererst liegt es aber an dem stetig zunehmenden Verkehr. Wo abertausende Lastkraftwagen und Pkw über den Asphalt rattern, kann auch die stärkste Piste den Belastungen nicht permanent standhalten. Die Zahl der in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge und gefahrenen Kilometer zeigt aber auch: Auto und Lkw fahren ist immer noch viel zu billig. Der aktuelle Preis von rund 1,70 Euro für einen Liter Superbenzin ist von den 5 Mark, mit denen die Grünen 1998 in den Bundestagswahlkampf zogen und dafür ordentlich Prügel bekamen, gar nicht mehr so weit weg. Er hat aber – trotz aller Klagen der Betroffenen – nicht dazu geführt, dass der Straßenverkehr in Deutschland spürbar abgenommen hätte.

In Bildern: Wie entsteht der Spritpreis?

Ein Umdenken setzt nur ganz zögerlich ein. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat das Auto als Statussymbol zunehmend ausgedient, weiter gefahren wird dennoch. Und wenn es nicht das eigene ist, dann bieten Carsharing-Anbieter inzwischen attraktive Alternativen. Zugfahren gilt immer noch als teuer. Aber das stimmt nur, wenn die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten eines Autos in der Vergleichsrechnung ignoriert werden. Und die gesellschaftlichen Kosten, die durch die enorme Umweltbelastung des nahezu ausschließlich auf fossilen Brennstoffen angewiesenen Straßenverkehrs entstehen, spiegeln sich sowieso nirgends wider.

Was ist zu tun? Deutsche Straßen müssen leerer werden. Das spart Sprit und Geld. Dazu müssen die überflüssigen Fahrten reduziert werden. Überflüssig ist das, was schon heute einfacher, schneller, preiswerter ohne Auto und Lkw erreicht werden kann. Das sind in Großstädten die Fahrten zum Arbeitsplatz. Das sind auf den Autobahnen Gütertransporte, die mit Bahn und Schiffen ebenso gut von A nach B zu bringen sind. Die Kfz-Steuer gehört abgeschafft und auf den Spritpreis draufgeschlagen. Das private Autofahren, insbesondere in Innenstädten gehört deutlich verteuert. Das geht mit einer City-Maut und hohen Parkgebühren.

Das alles kann aber nur funktionieren, wenn parallel in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs investiert wird. Eine stärkere Unterstützung von Initiativen im ländlichen Raum, die beispielsweise auf ehrenamtlicher Basis Anrufsammeltaxis und Bürgerbusse organisieren, ist unerlässlich. Die Städte müssen logistische Konzepte entwickeln, damit nicht jeder Lkw quer durch das Zentrum fahren muss, um seine Ladung loszuwerden. Das muss nicht alles neu erfunden und erprobt werden. Oft reicht es schon, gut abzugucken. Denn andere Länder sind Deutschland da um einiges voraus.

Am Ende ist die Seuche Autofahren zumindest eingedämmt. Dumm nur, dass viele noch glauben, es sei gar keine.

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