zum Hauptinhalt

Meinung: Sündenfall am Kurfürstendamm

„Französischprüfung“ vom 9. Dezember Der Westen Berlins belebt sich aufs Neue.

„Französischprüfung“ vom 9. Dezember

Der Westen Berlins belebt sich aufs Neue. Man reibt sich die Augen. Um den Bahnhof Zoo herum wollte es über Jahre, beinahe Jahrzehnte, nicht lebhaft werden. Nun aber ist der Durchbruch geschafft: Das Waldorf Astoria und der gerade entstehende Nachbarbau brechen nach oben durch, Zoopalast und Bikinihaus bleiben verschönt am Boden.

Aber besonders am Kurfürstendamm sprießt es hervor: Von Hugo Boss bis Mulberry und Picard, dazu die schöne Astor Film Lounge und das Unternehmen mit dem Zeichen des Sündenfalls: Der Apple Store am Kurfürstendamm 26 in der ehemaligen Filmbühne Wien. Das Cumberlandhaus mit dem Café Grosz hat sich bis zur Lietzenburger Straße hindurch erneuert. Genannt werden muss unbedingt auch das Maison de France, das im vergangenen Jahr außen und besonders innen viel an Eleganz gewonnen hat, plus Galerie und Brasserie im Erdgeschoss und dem nun wieder in schwungvoller Geste vereinten großen Saal unter dem Dach des Hauses. Das Maison de France ist eine der letzten verbliebenen kulturellen Einrichtungen am Kurfürstendamm, die zurückreicht in die unmittelbare Nachkriegszeit.

Man kann als Berliner hochzufrieden sein über diesen neuen Schwung um die alte Mitte des Westens. Wenn, ja wenn nicht ausgerechnet die Franzosen den Rückwärtsgang einlegen wollten. Es gab ja schon seit längerem die Nachricht, das Maison de France solle verkauft

werden. Das Geld würde gebraucht

und darum müsse das französische Kulturinstitut unter das Dach der Französischen Botschaft. Die Franzosen scheinen den Umzug derzeit noch nicht begriffen zu haben.

Das wäre tatsächlich ein Sündenfall am Kurfürstendamm, wenn das Haus Frankreichs sein Gesicht verlöre und Zugang zur französischen Kultur nur noch durch einen Seiteneingang möglich wäre. Die deutsch-französische Freundschaft müsste doch stark genug sein, einen solchen Sündenfall, der ein Rückfall ist, zu verhindern.

Jetzt lese ich, der Verkauf und Umzug sei noch nicht endgültig beschlossen. Wunderbar! Großartig!

Da kann uns Frankreich seine Kultur ja weiterhin in diesem Hause schenken. Sie muss sie wirklich nicht verstecken.

Hartmut Diekmann, Pfarrer i. R.,

Berlin-Spandau

Zur Startseite