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Sven Giegold, Grüner Europa-Kandidat: "Ich war schon immer Pragmatiker"

Ein Porträt des Attac-Mitbegründers Sven Giegold, einem der neuen grünen Aushängeschilder. Die Basis hat Probleme mit dem 39-Jährigen, er trifft das Herz der Grünen nicht.

Von Sabine Beikler

Als 13-Jähriger schützte er Kröten und Libellen, als 39-Jähriger will er die Grünen vor einem neoliberalen Kurs bewahren. Sven Giegold ist eines der neuen grünen Aushängeschilder, mit dem die Grünen ihre wiederentdeckte Offenheit für außerparlamentarische Bewegungen demonstrieren wollen. Dem Mitbegründer von Attac bleibt dabei die parteiinterne Ochsentour erspart: Erst vor guten drei Monaten trat der Wirtschaftswissenschaftler bei den Grünen ein, am Wochenende setzten ihn die Delegierten beim Europa-Parteitag in Dortmund bereits auf den aussichtsreichen vierten Listenplatz. Doch statt eines bei den Grünen üblichen überschwänglichen Beifalls – noch dazu für einen scharfzüngigen Kritiker – blieb es beim höflichen Applaus.

Mit einem Mann, der so eine klare Zustimmung noch nicht einmal mit einem kleinen Lächeln im Gesicht würdigt, hat die Basis Probleme. Giegold trifft das Herz der Grünen nicht, für die inhaltliche Auseinandersetzungen ganz ohne emotionale Streicheleinheiten nicht funktionieren. „Wir sind wärmer“, hört man bei vielen Grünen.

Sven Giegold ist Spezialist für Finanz- und Steuerpolitik, er war Chefökonom bei Attac. Maßgeblich auf ihn ist die neue Leitlinie „Green New Deal“ zurückzuführen. In Europa will er sich unter anderem für die „Schließung der Steueroasen“ einsetzen, für eine „sozial-ökologisch gestaltete Marktwirtschaft“ und gegen „Wachstumfetischismus“. Giegolds Sprache ist von linkstechnokratischen Formulierungen geprägt, intellektuell abgehoben und für viele in der Partei schwer verständlich.

Als die Grünen in der Regierung waren, attackierte Giegold sie wegen ihres „neoliberalen Kurses“. Seitdem hätten sich die Grünen aber verändert, sagt er heute und verweist auf Kurskorrekturen wie geforderte Veränderungen in der Hartz-IV-Gesetzgebung. Deutlich will er seine Stimme auch weiterhin in der Partei erheben. Er sei Visionär in Zielen, aber „schon immer Pragmatiker“ in der Umsetzung gewesen. Giegold kann trotz klar geäußerter Kritik Kompromisse eingehen – wenn sie zielführend sind.

Kompromisslos dagegen ist sein eigener Lebensstil: Er lebt auf einem Biobauernhof in der Nähe von Verden in Niedersachsen, versucht das Fliegen zu vermeiden und „lebt quasi in Zügen“, wie er sagt. Diesen nachhaltigen Lebensstil will er auch beibehalten, wenn er ins EU-Parlament zieht. So eine Haltung wiederum schmeichelt der grünen Seele.

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