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Eine Fahne, viele Interessen. In Syrien mischen viele Nationen mit und versuchen, ihre Claims zu verteidigen.

© Petros Karadjias/AP/dapd

Syrien: Politische Nahtstelle

In Syrien prallen die Machtinteressen von beinahe einem Dutzend Akteure schroff aufeinander. Das lässt leider nicht auf ein baldigen Ende der Gewalt hoffen.

Tunesien, Ägypten und Libyen haben ihre Diktatoren gestürzt, während in Syrien die bestialische Konfrontation des Regimes mit seinem eigenen Volk kein Ende nimmt. Seit der Eroberung der rebellischen Hochburgen Homs, Idlib und Deraa scheint das Baath-Regime überzeugter denn je, im erbarmungslos-blutigen Machtkampf die Oberhand zu behalten. Denn je länger die Krise dauert, desto planloser und zerstrittener agiert die Opposition. Die Gegner Assads haben nie an einem Strang gezogen, ihre Egos sind zu groß, ihre ideologischen und strategischen Differenzen zu tief.

International sieht die Bilanz kaum besser aus. Russland und China halten ihrem Verbündeten Syrien diplomatisch die Nibelungentreue, auch wenn sie ihre Haltung angesichts der anhaltenden Empörung offenbar überdenken. Inzwischen aber setzen auch die arabischen Meinungsführer Katar und Saudi-Arabien auf Bewaffnung und Eskalation. Demnächst könnten alle Seiten die Hemmungen fallen lassen. Dann gäbe es bald nicht 8000 Tote, sondern 80 000 Tote – ein Horrorszenario, das dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan bei seiner Vermittlungsmission klar vor Augen steht.

Syrien liegt an einer politisch-tektonischen Nahtstelle, an der Machtinteressen schroff aufeinanderprallen. Für den Iran ist das Regime der engste Verbündete in der Region, ein Eckpfeiler für seine Hegemonialgelüste. Für Russland ist Syrien der wichtigste Stützpunkt im Mittelmeerraum, für die Hisbollah unentbehrliche Schutzmacht. Für Israel ist Assad der ungeliebte, aber kalkulierbare Langzeitfeind. Irak und Libanon mit ihren zahlreichen Minderheiten dagegen fürchten, religiöse und ethnische Kämpfe könnten übergreifen und ihre Länder in Bürgerkriege zurückwerfen. Die Türkei sorgt sich um eine Flüchtlingswelle. Für die USA, Israel, Saudi-Arabien und die Golfstaaten wiederum wäre Assads Sturz ein Hebel, um Teheran stärker zu exponieren, als dies alle Sanktionen bisher vermochten. Und so geht es nicht alleine um die Zukunft von Assad-Clique und Baath-Regime. Es geht auch um Stabilität, Machtbalance und Wohlergehen einer ganzen Region. Das lässt leider nicht auf ein baldiges Ende der Gewalt hoffen.

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