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Im Münchener Gerichtssaal für den NSU-Prozess wird es eng - zu eng für die Interessenten der deutschen und ausländischen Presse.

© dpa

Termin-Verschiebung wegen Akkreditierungsverfahren: Sträfliches Verhalten im NSU-Verfahren

Der NSU-Prozess wird verschoben. Das OLG München setzt ein neues Akkreditierungsverfahren an. Der Zeitplan mit der Befragung von fast 370 Zeugen ist nun schon vorab aus den Fugen geraten.

Von Frank Jansen

So sieht ein Fehlstart aus. Im größten Verfahren gegen rechtsextreme Terroristen in der Geschichte der Bundesrepublik sieht sich das Oberlandesgericht München gezwungen, die vermurkste Vergabe von Sitzplätzen an Medien aufzuheben und die ganze Prozedur zu wiederholen. Das ist eine Blamage, die mit etwas mehr Sensibilität hätte vermieden werden können. Verantwortlich dafür ist nicht etwa das Bundesverfassungsgericht, das in der vergangenen Woche den Münchener Kollegen aufgegeben hatte, türkischen Medien in einem Prozess zum Mord an acht türkischstämmigen Menschen die gebotene Chancengleichheit – man könnte auch sagen: Fairness – zu gewähren. Sondern der 6. Strafsenat unter Vorsitz von Manfred Götzl hat sich das Debakel selbst zuzuschreiben, mit einem teilweise nebulösen und dann bockig verteidigten Akkreditierungsverfahren. Und es bleibt offen, ob ein neues besser, also fair verläuft.

Zunächst aber stellt sich die Frage, ob eine zweite Akkreditierung – als „Windhund-Verfahren“ oder in einer anderen Variante – überhaupt nötig ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss nur angeordnet, dass beim Prozess mindestens drei Plätze für ausländische Journalisten freizuhalten sind, deren Landsleute der NSU-Terror ums Leben oder zumindest um die Gesundheit gebracht hat. Das betrifft vor allem türkische Medien, weil die meisten Opfer der braunen Mörder türkischer Herkunft waren. Griechische und iranische Journalisten hatten sich gar nicht für eine Akkreditierung gemeldet, obwohl der NSU einen Griechen erschossen und eine junge Iranerin bei einem Sprengstoffanschlag in Köln schwer verletzt hatte. Und die Verfassungsbeschwerde kam von der türkischen Zeitung „Sabah“. Auch sie muss sich nun noch einmal bewerben. Wieder mit ungewissem Ausgang?

Der 6. Strafsenat hätte doch, wie selbst in Justizkreisen erwartet worden war, einen Teil des für Zuschauer gedachten Blocks im Saal A 101 türkischen Medien überlassen können. Oder er hätte erlauben können, dass deutsche Journalisten, die das ja angeboten haben, ihre festen Plätze mit türkischen Kollegen tauschen. Aber nein: Das OLG setzt ein neues Akkreditierungsverfahren an und verschiebt den Prozess. Dessen Zeitplan mit der Befragung von fast 370 Zeugen ist nun schon vorab aus den Fugen geraten.

Formal hat der 6. Strafsenat natürlich korrekt gehandelt. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein neues Akkreditierungsverfahren als möglich bezeichnet – aber eben nicht gefordert. Flexibilität jenseits von Tabula rasa und selbstverständlich im Rahmen der geltenden Gesetze ist aber offenkundig nicht die Stärke der Münchener Richter. Oder nun doch?

Werden jetzt Abläufe möglich, die Manfred Götzl bislang stur abgelehnt hat? Vor allem eine Übertragung der Hauptverhandlung per Video in einen größeren Raum neben dem Sitzungssaal, wie sie selbst Winfried Hassemer für möglich hält, der einstige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts? Dann könnten alle Medien, deutsche wie nicht deutsche, mit gleichen Chancen und einigermaßen stressfrei über den „Jahrhundertprozess“ berichten. Würde der Strafsenat so viel Einsicht aufbringen, könnte er den Eindruck von Fehlstart und Blamage halbwegs korrigieren. Es wäre nicht nur dem Gericht und den Journalisten zu wünschen. Das Gerangel um Sitzplätze im NSU-Prozess ist auch angesichts des jahrelangen Leidens der Angehörigen der ermordeten Menschen und der überlebenden Opfer des rechten Terrors unwürdig.

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