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Ein irakischer Junge in Mossul steht dort, wo zuvor eine Autobombe explodierte (Archivbild).

© dpa

Terror in Irak, Syrien und Nigeria: Der höllische Islamismus

Irak, Syrien, Nigeria – die Lage ist gespenstisch in diesen Tagen. Es wird gefoltert und entführt, der tägliche Terror nimmt zu. Doch trotz aller Verzweiflung sollte man die Hoffnung nicht verlieren.

Es ist, als wäre Hamburg in die Hände der Taliban gefallen. Die zweitgrößte Stadt des Irak mit über zwei Millionen Einwohnern wurde am Dienstag von Gotteskriegern eingenommen, die sich als „Kämpfer für einen Islamischen Staat von Irak und Syrien“ bezeichnen und angeblich sogar der Al-Qaida-Führung zu radikal sind. Spätestens jetzt kann einem die Warnung von Saddam Hussein einfallen, der vor Ausbruch des Irak-Kriegs prophezeit hatte, dass sich im Falle seines Sturzes im Irak „die Tore der Hölle“ öffnen würden. Der Diktator hat leider recht behalten.

Saddam behielt doch recht

Unter Bush und Blair sind die USA und Großbritannien vor elf Jahren in den Irak eingefallen, um eine Demokratie aufzubauen. Der völkerrechtswidrige Krieg hatte unmittelbar etwa 100000 Menschenleben gekostet. Saddam ist zwar selber zur Hölle gefahren, aber eine Demokratie ist der Irak nie geworden. In den Gefängnissen wird weiter gefoltert, und der tägliche Terror nimmt zu. Die Iraker gehören zum geschlagenen Teil der Menschheit, zerrissen, zerbombt, inzwischen werden die Toten aus Krieg und Bürgerkrieg auf eine Million geschätzt.

Wir wollen keine Diktatoren. Keinen Saddam und keinen Assad. Aber auch in Syrien hat Assad, ein säkularer Despot wie einst Saddam, vor der höllischen Zerrüttung und dem islamistischen Terror gewarnt. Auch Syrien ist geschlagen und verdammt, noch herrscht Assad über Damaskus und Teile des Landes, aber viele argwöhnen, dass es ohne ihn nicht besser, nein fürchterlicher würde. Der Westen impft gegen die Pest und züchtet die Cholera. Auch in Afghanistan, wo der weitere Rückfall in die Taliban-Barbarei bevorsteht: die Entrechtung von noch mehr Mädchen, Frauen und freien Geistern, sobald die Alliierten sich demnächst aus dem Staub gemacht haben. Daniel Barenboim, ein großer Künstler und weiser Mann, hat gesagt, dass Demokratie und Religion, wenn die Religion auch eine Staatsmacht ist, nicht miteinander vereinbar sind.

Das war auch das Problem des kurzen Arabischen Frühlings. In Ägypten waren die Frauenrechte, die Religionsfreiheit für Nichtmuslime und ein gewisser Pluralismus von Meinungen und Lebensweisen unter dem islamistischen Präsidenten Mursi stärker bedroht als vordem unter dem gestürzten Autokraten Mubarak. Der neue Machthaber, Exgeneral Al-Sisi, gilt zwar als säkular und könnte Ägypten das Schicksal des Iraks und Syriens vorerst ersparen. Aber die Verurteilung des prominenten Kairoer Bürgerrechtlers Abd al-Fattah zu 15 Jahren Haft wirkt skandalös.

Statt derart in eine schaurige Welt zu schauen, würde man sich ab heute viel lieber nur an der Fußballweltmeisterschaft erfreuen. Vor vier Jahren schien Südafrika zu leuchten. Trotz Korruption und Kriminalität. Immerhin lebte noch ein Mandela, und es gab einige Leuchtzeichen auch für den übrigen von europäischer Kolonialherrschaft, fortgesetzter Ausbeutung und eigener Gewalt gezeichneten Kontinent. Jetzt, in Brasilien (über dessen innere Zustände seit Wochen genug zu lesen ist), spielt in einer Gruppe mit dem Iran übrigens Nigeria. Nicht unbeschwert. Denn auch im Norden Nigerias führen selbsternannte islamistische Gotteskrieger einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Erst verschleppt die Terrorbande Boko Haram 270 Schülerinnen und nun etwa zwei Dutzend junge Mütter.

Die Lage ist gespenstisch - in einer Ära der digitalen Dauerkommunikation

Frauen sind nur Fleisch und Ware, wie bei den Taliban weniger wert als eine Hausziege. Inzwischen sind die 270 Schulmädchen offenbar so spurlos verschwunden wie kurz zuvor die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit 239 Menschen an Bord. Das alles ist so gespenstisch in einer Ära der globalen digitalen Überwachung und Dauerkommunikation, dass selbst gewiefte Verschwörungstheoretiker ratlos erblassen. Und wenn Vergleiche bei immer neuen alten Gräueltaten gesucht werden, dann heißt es oft: „wie im Mittelalter“. So, als wäre das heutige Europa – dessen Mittelalter eine hohe kulturelle Blüte kannte – nicht aus den Trümmern sehr viel späterer Kriege, Diktaturen und Zivilisationsbrüche erstanden.

Oder es fällt uns zu Afrika nur Joseph Conrads düster hellsichtige Kongo-Erzählung vom „Herz der Finsternis“ ein. Nein, es gibt nicht die eine Erklärung und das eine Bild. Doch wer über das im Ganzen noch immer idyllische Europa und seine neuen Mauern gegen die Armen und Geschlagenen hinaussieht, findet Georg Büchners berühmten Satz vom „gräßlichen Fatalismus der Geschichte“. Büchner, der Revolutionär und Frühdemokrat, hat das vor 180 Jahren geschrieben. Verzweifelt, aber nicht hoffnungslos.

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