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Meinung: Terror in Nahost: Letzte Warnung für Arafat

Geschieht im Nahen Osten immer das Gleiche, nur immer schlimmer? Oder bedeuten die zwölf Stunden Terror in Israel mit 26 Toten und hunderten Verletzten tatsächlich eine neue Qualität?

Geschieht im Nahen Osten immer das Gleiche, nur immer schlimmer? Oder bedeuten die zwölf Stunden Terror in Israel mit 26 Toten und hunderten Verletzten tatsächlich eine neue Qualität? Die Anschlagserie von Haifa und Jerusalem ähnelt den Al-Qaida-Angriffen auf Washington und New York auf verblüffende Weise. Hamas und Dschihad wollten mit der Gleichzeitigkeit der Attentate Angst und Ohnmacht der Bevölkerung potenzieren. Auch wegen dieser Parallele sieht Jassir Arafat sich nun vor eine Frage gestellt, der er nicht mehr länger ausweichen kann: Wie hält er es mit dem Terror?

Seit Monaten versuchen Europäer, Amerikaner und Israelis den Palästinenserführer dazu zu bringen, entschieden gegen die eigenen Extremisten vorzugehen. Seit Monaten hört man nur viele Worte, sieht aber wenig Taten. Selbst ein geduldiger Nahostvermittler wie Joschka Fischer wirkte bei seinem letzten Besuch nicht nur skeptisch gegenüber Arafat, sondern fast schon genervt. Noch hofft die Welt, dass die Israelis es bei der Attacke auf Arafats unbesetzten Hubschrauber belassen werden. So oder so: Die Zeit der Worte ist vorbei.

Kann Arafat überhaupt noch ein Verhandlungspartner sein? Der Palästinenserführer liebt es, mit seiner Unersetzbarkeit zu kokettieren. Nach mir die Apokalypse - das ist sein wichtigstes Argument. Doch diese Endzeitrhetorik wird nicht mehr ausreichen, um Arafats Status als Verhandlungspartner zu retten. Verschärft sich doch nun das seit Ausbruch der AL-Aksa-Intifada bestehende Dilemma: Entweder will Arafat nichts gegen die Extremisten unternehmen, oder er kann es nicht. Im ersten Fall ist er ein Komplize der Terroristen und im zweiten ein unbrauchbarer Partner. Denn darum ging es ja im Oslo-Prozess - um den allmählichen Tausch von Land gegen Sicherheit. Wer aber nichts für die israelische Sicherheit tut, mit dem kann man auch keinen Frieden schließen.

Bisher wurde diese simple Wahrheit geflissentlich ignoriert - aus Angst vor der Zeit nach Arafat und aus Hoffnung in eine späte Einsicht des Palästinenserführers. Diese Hoffnungen sind nun zerstoben. Damit ist eingetreten, was sich schon länger anbahnte: dass Arafat nicht mehr umhin kommt, die Machtfrage im eigenen Lager zu stellen. Denn die Bombenanschläge von Haifa und Jerusalem zielen vor allem auf eins: die Demontage des PLO-Chefs. Der Autonomiebehörde war es in den letzten Wochen gelungen, die Intensität der Intifada etwas zu dämpfen. Palästinensische Führer, etwa der Sicherheitschef Jibril Radjub, versuchten, Terror-Führer davon zu überzeugen, dass ein Waffenstillstand im eigenen Interesse liege - vergeblich. Die von den Palästinensern immer wieder ins Feld geführte Strategie des Einbindens statt Einsperrens von Terroristen ist endgültig gescheitert.

Jetzt brechen unter den Palästinensern Zielkonflikte auf, die in den letzten 15 Monaten vom gemeinsamen Kampf gegen die Besatzer verdeckt wurden: Arafat benutzte die bombenden Terroristen als taktische Alternative, um Druck auf Israel auszuüben und ein besseres Verhandlungsergebnis zu bekommen. Die Terroristen hingegen sehen sich in einem Kampf, der nur mit der Vertreibung aller Juden aus Palästina enden kann.

Zwar ist es richtig, dass die vielen Demütigungen, die die Palästinenser durch die israelische Besatzung erleiden, die Zustimmung zu Anschlägen in der Bevölkerung erhöhen. Auch war die Ermordung des Hamas-Bombenbauers Mahmud Abu Hanud kurz vor der amerikanischen Vermittlungsmission eine politische Provokation Scharons. Aber die Terrorgruppen als militärischen Arm einer Befreiungsbewegung zu sehen, ist ein schwerwiegender Fehler. Denn die Ziele der Terroristen sind nicht verhandelbar. Und werden es niemals sein.

"Es ist ein Moment der Wahrheit, Mr. Arafat" sagt selbst Colin Powell. Die Amerikaner müssen nach den Siegen in Afghanistan nicht mehr so viel Rücksicht auf die arabischen Staaten nehmen. Zudem verzeihen viele Golfkriegsveteranen in der Bush-Regierung Arafat nicht, dass er sich damals auf die Seite Saddam Husseins geschlagen hat. Und auch die Europäer sind von seinen Wortbrüchen ermüdet. Jassir Arafat hat schlechte Karten. Es wird Zeit für ihn, mit dem Pokern aufzuhören - und endlich zu handeln.

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