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Meinung: Teuer und gefährlich

Was ist besser, ein kurzer oder ein langer Krieg? Die Frage scheint albern.

Was ist besser, ein kurzer oder ein langer Krieg? Die Frage scheint albern. Mindestens vier gewichtige Gründe sprechen dafür, dass die "Operation dauerhafte Freiheit" so schnell wie möglich beendet wird: Erstens beginnt Mitte November der moslemische Ramadan, zweitens will niemand im Schnee kämpfen, drittens müssen die Flüchtlinge versorgt werden und viertens ist die Anti-Terror-Koalition nicht stabil genug, um einen Zusammenhalt über viele Monate garantieren zu können. Deshalb ist Eile geboten. Auch aus deutscher Sicht?

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Gegenschlag - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Bilder des US-Gegenschlags Gerhard Schröder hat nach dem 11. September die "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA zur Maxime seiner Politik gemacht. Seitdem herrscht allgemeines Rätselraten: Worin besteht diese Solidarität? Da wird die Kontrolle der Finanzströme genannt, die dem Terrornetzwerk "Al Qaida" immer neue Mittel zuführen. Außerdem gibt es eine intensive Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden - nicht zuletzt, weil die Anschläge wohl in Deutschland vorbereitet und geplant worden waren. Aber das sind Gesten, keine Symbole. Die großen Gaben, Moneten und Militär, bleiben bislang aus. Geld will Berlin nicht zahlen, Soldaten wollen die Amerikaner nicht haben.

Rhetorisch vollmundig, faktisch unbedeutend: Zwischen Wort und Tat klafft eine Lücke. Aber der wirkliche Test auf die versprochene Solidarität wird erst noch kommen. Gefragt werden die Deutschen sein, wenn es um die Zeit nach dem Krieg geht, um die Stabilisierung der neuen Regierung in Kabul, um den Wiederaufbau Afghanistans, um Entwaffnungsaktionen und Flüchtlingsversorgung. Deutsche Soldaten werden eines Tages an den Hindukusch geschickt. Nicht ob, sondern wann heißt die offene Frage. Das kann, muss aber nicht im Rahmen einer UN-Friedensmission sein. Und: Der Einsatz wird teuer und gefährlich. Kosovo und Mazedonien bieten lediglich einen Vorgeschmack auf die Probleme. Im Vergleich zu Afghanistan ist der Balkan eine geordnete, übersichtliche und zivile Region.

Das wissen auch die Amerikaner. Deshalb haben sie es, trotz der vier wichtigen Beschleunigungsgründe, gar nicht so eilig. Die kurzfristigen Ziele ihrer Militärschläge sind eindeutig: Das Terrornetzwerk um Osama bin Laden soll zerschlagen, die Taliban-Miliz entscheidend geschwächt werden. Ebenso wichtig allerdings ist das langfristige Ziel: In Kabul muss sich eine Regierung formieren, die auf breiter Grundlage steht. Eingebunden werden müssen vor allem die Paschtunen, die zahlenmäßig größte Ethnie in Afghanistan, die bislang allein durch die Taliban repräsentiert werden. Würde nach dem Terror- wieder ein Bürgerkrieg ausbrechen, müsste in drei Jahren der nächste bin Laden bekämpft werden. Das wollen die Amerikaner verhindern. Aus diesem Grund sind die Angriffe auf die Taliban-Stellungen sehr begrenzt. Washington unterstützt zwar die Nordallianz, will aber auf keinen Fall, dass sie vorzeitig Erfolge feiert. Denn die Nordallianz ist parteiisch. Sie wird von Iran, Russland und Indien mit Waffen versorgt, von Pakistan jedoch abgelehnt. Je früher der Krieg beendet wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass nur der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wurde. Das wiederum würde die Arbeit jener internationalen Verbände, die anschließend für den Aufbau stabiler Strukturen sorgen sollen, noch schwieriger machen, als sie ohnehin schon ist. Die Bundeswehr wird ein Teil dieser Verbände sein.

Solidarität hat ihren Preis. Ist ein kurzer Krieg besser als ein langer? Aus deutscher Sicht heißt die Antwort: Im Prinzip ja, aber nur, wenn dadurch nicht die falschen Kräfte an die Macht kommen. Mit denen nämlich müssen wir uns dann herumschlagen.

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