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Thilo Sarrazin: Ihm kann keiner

Berlins Finanzsenator Sarrazin ist mal wieder in einer Phase, in der er keinem Streit aus dem Weg geht. Doch war es jetzt einer zu viel?

Man könnte fast meinen, dass sich Thilo Sarrazin langweilt. Der Berliner Finanzsenator ist mal wieder in einer Phase, in der er keinem Streit aus dem Weg geht. Eine Woche ist es her, da mischte er eine fade Sitzung des Abgeordnetenhauses auf, indem er Hartz-IV-Empfängern ungebetene Ratschläge gab. Jetzt legt er sich mit Abgeordneten an, lässt Einzelheiten über deren finanzielle Situation veröffentlichen und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, das Recht gebrochen zu haben.

Sarrazin mag den Streit. Im Parlament der Hartz-IV-Metropole Berlin fragte ihn eine Abgeordnete der Linkspartei, mit der Sarrazins SPD immerhin liiert ist, nach Vorteilen für ehrenamtlich tätige Hartz-IV-Bezieher. Sarrazin antwortete: „Wer als Hartz-IV-Empfänger die Kraft für das Ehrenamt hat, sollte vielleicht auch einmal die Kraft aufbringen, sich um Arbeit zu bemühen, und dort seine ersten Aktivitäten hineinlegen.“

So macht man sich Freunde, bei der Hartz-zerzausten SPD wie bei der ganz Linken. Aber Sarrazin wurde, was er in der Berliner politischen Landschaft ist, weil er auf Freundschaften nie etwas gab. Der Mann ist in Sachen Beliebtheit schmerzunempfindlich – und erwarb sich deshalb große Anerkennung. Er brachte den Berlinern bei, dass ihr Landeshaushalt nicht aus unanfechtbaren Gründen immer gleich gigantisch sein musste, sondern vergleichbar ist mit den Etats anderer Bundesländer. Er hielt ihnen vor, dass Berlin personalpolitisch überausgestattet war. Er wurde zur stählernen Stütze von Rot-Rot, mit einer Außenwirkung weit über Berlin hinaus.

Dass Klaus Wowereit ein gewisses Ansehen unter den Länderregierungschefs hat, verdankt er sich selbst und Sarrazin: Der setzte Wowereits haushaltspolitischen Ansatz in Berlin durch und zeigte, dass man viel Geld sparen kann, dass man den öffentlichen Dienst verkleinern kann, dass es – allerdings unbequeme – Auswege gibt aus der Berliner Finanzkrise.

Politische Rempeleien, unkorrekte Ausdrucksweisen hat sich Sarrazin dabei immer erlaubt. Er höhnte wie ein Erzliberaler – über Finanzbeamte, Lehrer, den öffentliche Dienst – und jetzt gar über die halbe wählende oder sich in Beliebtheitsumfragen äußernde Klientel von Rot-Rot. Dem Senator schien stets gleich zu sein, was sie vom ihm denken.

Deshalb ist es nicht ganz leicht, ihm nun, im Streit mit größeren Teilen des Abgeordnetenhauses, nur lautere Motive zu unterstellen. Dass er nur Schutz der Finanzämter vor bösen Worten und Mobbingvorwürfen aus dem Parlament im Sinn hat – glaubt er das selbst? Oder will da einer wissen, was er sich als Mann der Exekutive alles leisten kann?

Die ganze Sache wirkt derzeit wie einer der typischen Berliner Wasserglas-Hurrikane. Was daraus wird, ist kaum abzusehen. Aber inzwischen zürnen eine Menge Leute dem Senator, wegen alter und neuer Geschichten. Auch umkippende Wassergläser können einen schlecht aussehen lassen, je nachdem, wohin das Wasser fließt.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

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