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Innenminister Thomas de Maizière

© Thilo Rückeis

Thomas de Maizière: Seltsam fühllos

Der Innenminister agiert so bürokratisch und politisch unsensibel, dass die Frage erlaubt sein muss, ob sich Thomas de Maizière in den Akten verloren hat. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was ist nur in Thomas de Maizière gefahren? Als Inbegriff der Solidität und der zurückgenommenen Lagebeurteilungen – so galt der Innenminister vielen. Keine harte Linie im Hinblick auf die terroristische Bedrohung, möglichst keine harten Worte zur Verfasstheit des Staates, damit hat sich de Maizière beliebt gemacht. Mit Absicht und mit Bedacht. Und jetzt? Jetzt geht er in zwei Fällen derart bürokratisch und dazu politisch unsensibel vor, dass die Frage erlaubt sein muss, ob sich der Minister in den Akten verloren hat.

Kirchenasyl wie Scharia?

Da koffert de Maizière, selbst evangelischer Christ, Mitglied im Präsidium des Kirchentags, in einer Weise gegen das Kirchenasyl, dass es auch der EKD reicht. Denn der Minister vergleicht das Kirchenasyl mit der islamischen Scharia und argumentiert rein juristisch dagegen, lässt alles andere außer Acht. Von der Alten Kirche über Luther bis heute, und von Barmherzigkeit gar nicht weiter zu reden. Kirchenasyl bezieht sich aber auf menschenrechtliche Bedenken in Einzelfällen. Die Behörden werden informiert. „Unangemessen“ nannte deshalb der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung de Maizières Haltung, und das ist noch ein freundliches, zurückhaltendes Wort. Furchtbar passte besser. Wenn der Minister meint, dass die Zahl der Kirchenasyle gestiegen sei, dann ist sie doch immer noch verschwindend gering angesichts der rasant gewachsenen Flüchtlingszahl.

Ohne Juden

Der zweite Fall ist, wie die Expertenkommission zum Antisemitismus, angesiedelt beim Innenminister, besetzt werden soll: ohne Juden. Weil er dort keine Betroffenen sitzen haben will, sondern neutrale Experten. Das ist unfassbar. Und das ist wieder furchtbar – weil es wieder so geschichtslos ist. Was schadete es? Anetta Kahane hat völlig recht: Eine Konferenz zum Islamhass findet auch nicht ohne Muslime statt. Dass die jüdischen Vertreter de Maizières Haltung für einen einzigartigen Skandal halten, ist ihnen weiß Gott nicht zu verdenken. Selbst auf gut gemeinte Hinweise hat er ja seltsam fühllos reagiert. Thomas de Maizière sollte seine eigene Lage noch einmal neu beurteilen.

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