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Verteidigungsminister Thomas de Maizière.

© dpa

Thomas de Maizière und die Drohnen: Verschobene Verteidigung

Der Verteidigungsminister sagt nichts zum Drohnenprojekt "Euro Hawk": So wird er immer mehr selbst zum Thema.

Von Antje Sirleschtov

Noch zehn Tage, bis Thomas de Maizière Gelegenheit hat, seine wichtigste und gleichzeitig umstrittenste rüstungstechnische Entscheidung vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages zu rechtfertigen: den Stopp der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“. Zehn Tage können eine kurze Zeit sein, wenn ein als akribisch bekannter Minister den Anspruch hat, alle Fakten lückenlos vorzulegen, die bis in die Zeit seines Vorvorvorgängers reichen.

Zehn Tage können aber auch eine sehr lange Zeit sein, wenn es darum geht, das Bild eines Politikers zu zeichnen – eines verantwortungsvollen Ministers mit Übersicht oder eines Mannes, der sein Ministerium, die Bundeswehr und auch die Rüstungsindustrie längst nicht mehr im Griff hat. Im Augenblick sieht es eher so aus, als stehe am 5. Juni nicht nur de Maizières Drohnenprojekt auf dem Prüfstand, sondern seine Reputation als Verteidigungsminister.

Erstes Indiz: Es tauchen Details auf, die meist nicht neu sind, aber gleichwohl verwirren. Der Verdacht macht sich breit, da komme jetzt scheibchenweise alles ans Licht. Am Wochenende tauchten Berichte auf, die Drohne, deren Entwicklung der Minister ja eigentlich gestoppt hatte, koste jeden Monat weitere 3,3 Millionen Euro. Die Tatsache an sich überrascht wenig, denn nicht die Aufklärungstechnik SIGINT wurde gestoppt, sondern der Bau des Trägerflugzeugs. Und die Tests für die Aufklärungstechnik kosten eben weiter Geld – was die Parlamentarier durchaus wissen. Die Meldung zu diesem Zeitpunkt erweckt dennoch den Eindruck, das Drohnendebakel laufe aus dem Ruder.

Zweites Indiz: Plötzlich tauchen Meldungen über staatsanwaltschaftliche Korruptionsuntersuchungen wegen der Beschaffung von mangelhaften Gewehren für die Bundeswehr auf und die Frage wird neu gestellt, warum der Minister etwa ein Viertel der einst für elf Milliarden Euro bestellten Hubschrauber abbestellt und trotzdem nur 200 Millionen Euro einspart. Nebenschauplätze, gewiss. Mag sogar sein, dass de Maizière am 5. Juni eine wenig spektakuläre Geschichte über den „Euro Hawk“ zu erzählen hat. In der Öffentlichkeit könnte sich zu diesem Zeitpunkt aber längst ein Gefühl von Chaos, Durcheinander und Millionenverschwendung in seinem Verantwortungsbereich festgesetzt haben.

Diesen Eindruck bestärken auch die Versuche einiger Beteiligter, sich von Vorwürfen zu lösen. So tut nun Franz Josef Jung, Vorvorgänger von de Maizière im Amt, kund, er habe die Hersteller des Hawk mit dem Einbau eines Kollisionsschutzes beauftragt. Jener Schutzeinrichtung also, wegen deren Abwesenheit sich de Maizière gezwungen sah, das Projekt abzublasen. Sind die Drohnenpläne also erst in jüngster Vergangenheit aus dem Ruder gelaufen, während bei Jung noch alles in Ordnung war? Man weiß es nicht, aber spürt: Da liegt mehr im Argen, als de Maizière zugibt.

Auch die Rüstungsindustrie meint plötzlich, dass es mit den Kontrollanlagen und Dokumentationen überhaupt kein Problem gebe. Und gegen einen kleinen Mehrpreis habe man bereits angeboten, die zur Zulassung des Hawk in Deutschland noch fehlenden Details nachzuliefern. Hat der Verteidigungsminister den Überblick verloren, fragt sich da der Laie: Wegen der fehlenden Unterlagen ist das Ganze doch gestoppt worden!

Man sieht: Zehn Tage können verdammt lang sein im Leben eines Politikers, der aufklären will und dabei nichts weniger gebrauchen kann als eine öffentliche Vorverurteilung. „Ich leide“, soll Thomas de Maizière am Wochenende nach dem Genuss einer Brahms-Sinfonie in Dresden spontan von sich gegeben haben. Es könnte ein längeres Leiden werden.

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