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Tour de France: Nicht auf diese Tour

Doping bei den Radfahrern! Wie gemein! – Nein, über Ironie sind wir endgültig hinaus.

W as hier jetzt folgt, ist schnell geschrieben und im Zorn. Es lässt außer Acht, was für das Individuum gelten muss, für eine ganze Sportart aber längst nicht mehr gelten kann – es verzichtet auf die Unschuldsvermutung. Es bedient sich des Generalverdachts. Warum auch nicht?

Ja, die B-Probe des T-Mobile-Rennfahrers Patrik Sinkewitz steht noch aus, eine gewissermaßen letzte virtuelle Klammer könnte gemacht werden, bevor man mit den Verwünschungen eines Betrügers beginnt. Eine Klammer, weil der Testosteronwert des Athleten irgendwie dann doch fälschlicherweise jenen horrenden Wert angenommen haben könnte, der ihn nun erst mal als Doper überführt. Vielleicht, vielleicht. Nichts ist schließlich unmöglich in der Welt der Fremdurinnutzer, auch Gegenbetrug und Intrige nicht.

Aber – ist das wirklich noch wichtig? Wir können sie doch nicht mehr hören, die Ausflüchte und Abwägungen, den pikierten Verweis, vom Einzelnen nicht auf das große Ganze schließen zu dürfen. Ist es nicht im Gegenteil so, ganz genau so?

Keine Frage: Der Fall Sinkewitz steht Pars pro Toto. Und, prekärer: Es hat die vermeintlich Edelsten und Reinsten getroffen, die es derzeit im zwielichtigen Gewerbe gibt. Es hat den Rennstall T-Mobile erwischt, der in den vergangenen Monaten wie kein zweiter in der internationalen Radsportwelt mit der dunklen Vergangenheit abgeschlossen zu haben meinte. Ein Rennstall, in der Szene bisweilen dezent belächelt ob seines neuen missionarischen Eifers und der proklamierten Milde bei Fahrern, die unter ferner liefen landeten. Es hat T-Mobile erwischt und damit den deutschen Radsport ein weiteres Mal, nur dass es diesmal in einer Zeit passiert ist, in der es nicht mehr hätte passieren dürfen, weil der Systemwechsel hatte eingeläutet werden sollen. Quod erat demonstrandum.

Doch nun ist der Beweis anders ausgefallen als erhofft. Und er lautet: Das System ist marode, es muss marode sein. Wenn ein Sportler um den Preis des Verlustes eines Jahresgehalts nebst zweijährigem Berufsverbot sich nicht davon abhalten lässt, seinen Körper zu manipulieren, dann kann an den Grundkoordinaten einer ganzen Sportart etwas nicht stimmen. Mit Patrik Sinkewitz hat sich da schließlich auch niemand den Tour-Sieg erdopen wollen, sondern lediglich das pure Mitradelnkönnen. Ein kleines Licht auf Frankreichs großer Schleife. Die Strapazen ungedopt zu überstehen, das hat sich der T-Mobile-Fahrer offenkundig nicht zugetraut. Der Profiradsport mit seinen nicht selten übermenschlichen Anforderungen ist im Begriff, sich selbst zu Grabe zu tragen.

Nun wanken die Stützpfeiler von einst. ARD und ZDF haben sich aus der aktuellen Übertragung vorerst verabschiedet, T-Mobile schließt den Ausstieg aus dem Sponsoring nicht mehr aus. Die Faszination Tour wird nicht mehr transportiert. Der Radsport ist auf rasender Talfahrt in Richtung Randsportart, geeignet nur noch für Zyniker und Desillusionierte.

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