zum Hauptinhalt

Meinung: Transatlantische Verrenkungen

Die USA und Deutschland wollen wieder Freunde sein – weil Berlins Position bedeutungslos ist

Wer einen Fehler gemacht hat, den er nicht revidieren möchte, verstrickt sich in Widersprüche: Die Bundesregierung lehnt einen Irak-Krieg kategorisch ab. Sie hat zwar ohne UN-Mandat ihre Soldaten ins Kosovo geschickt, weigert sich aber, selbst mit UN-Mandat die Massenvernichtungswaffen im Irak zu zerstören. Gleichzeitig begrüßt sie die jüngste Resolution des UN-Sicherheitsrates, die so scharf gefasst ist, dass ein Wunder geschehen müsste, damit Saddam Hussein eine Intervention vermeidet. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung freut sich jetzt offiziell darüber, dass genau jener Krieg wahrscheinlicher geworden ist, den sie als unkalkulierbares Abenteuer verurteilt.

Solche Verrenkungen sind der Preis, den Schröder, Fischer, Struck und Co für ihren Wahlkampf zu bezahlen haben. Ihr Nein zu einem Krieg aufgeben, können sie nicht. Der Wähler sähe sich getäuscht. Ihr Nein zu einem Krieg offensiv vertreten, können sie ebenso wenig. Schließlich muss das Verhältnis zu Amerika repariert werden. Außerdem darf sich der Eindruck der doppelten Isolation – innerhalb der EU und den UN – nicht weiter verfestigen. Das Dilemma ist perfekt.

Bei dem Spagat zwischen Nein und Ja haben bereits Außenminister Fischer bei seinem jünsten USA-Besuch die Oberschenkel geschmerzt. Dieselbe Erfahrung musste nun Verteidigungsminister Struck machen. Ein ums andere Mal begrüßte er die Irak-Resolution als „sehr kräftiges Signal an Saddam Hussein" und lobte die Linie von Präsident Bush als „sehr wertvoll". Doch der nahe liegenden Frage, was die Weltgemeinschaft tun soll, wenn der Irak gegen die Bestimmungen der neuen Resolution verstößt, wich er aus. Die Position der Bundesregierung sei unverändert, man wolle nicht spekulieren, die Frage werde beantwortet, wenn sie sich stelle.

Die Herumdruckserei ist kläglich. Womöglich kommt es bald zum Krieg, und die Bundesregierung sagt: Wir begrüßen, dass die UN-Resolutionen durchgesetzt werden, aber an unserer Haltung hat sich nichts geändert – eine Beteiligung deutscher Soldaten lehnen wir ab. Mit konsistenter Politik hat das nichts zu tun. Die Bundesregierung hat sich ins Abseits manövriert. Je länger sie dort verharrt, desto peinlicher wird das Schauspiel.

Das einzig Gute daran: Ihr Widerstand gegen einen Irak-Krieg wird international kaum noch ernst genommen. Deshalb haben sich auch die Beziehungen zur US-Regierung erstaunlich rasch normalisiert. Schröder telefoniert wieder mit Bush, Struck wird von Rumsfeld fast umarmt. Ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Bundeskanzler und US-Präsident, in zwölf Tagen beim Nato-Gipfel in Prag, gilt inzwischen als sicher. Aus amerikanischer Sicht gibt es für die Wiederannäherung gute Gründe. Nach dem einstimmigen Votum im UN-Sicherheitsrat ist das deutsche Nein zu einem Irak-Krieg politisch und diplomatisch ungefährlich. Die deutsche Position hat an Bedeutung verloren. Entsprechend entspannt können die sonstigen Interessen neu ausgelotet werden. Das transatlantische Netz wird bald wieder fest geknüpft sein.

Was indes bleibt, ist ein schwächeres Deutschland. In Europa ist die Gewichtsverschiebung am deutlichsten zu beobachten. Großbritannien und Frankreich haben von der Irak-Diskussion profitiert. Warum wollte Blair unbedingt, dass Schröder die Wahl gewinnt? Weil er wusste, dass ihm der Sozialdemokrat kein Rivale sein würde im privilegierten Verhältnis zu Washington. Warum war Chirac bei den Verhandlungen im Sicherheitsrat so hartnäckig? Weil er wusste, dass ihm das Respekt verschafft. Der „deutsche Weg" dagegen, den Schröder im Wahlkampf propagierte, hat in die Sackgasse geführt. Dort steht er nun und windet sich und windet sich und windet sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false