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Meinung: Trennung frischt die Liebe auf

Die Föderalismusreform ist auf einem guten Weg – aber nicht alle wollen ihn gehen

In der Föderalismuskommission hat die entscheidende Phase begonnen. In sieben Wochen wollen ihre Vorsitzenden Franz Müntefering und Edmund Stoiber ein Ergebnis vorlegen. Bis dahin wird es hart zur Sache gehen. Bräuchte die Reformrunde von Bundestag und Bundesrat ein Motto, dann wäre ein Satz aus Mozarts „Zauberflöte“ passend: Wie bitter sind der Trennung Leiden.

Trennung, Entflechtung, klarere Zuordnung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern – das ist das Kernziel dieser Verfassungsreform. Doch offenbar ist der Trennungsschmerz bei manchen so groß, dass man um den Erfolg der Reform fürchten muss. Die Bundesregierung hat in den letzten Tagen dazu Anlass gegeben. Nicht zuletzt bei Rot-Grün sind Kompromisslinien, die sich abzeichnen, umstritten. Dabei könnte auch ein sozialdemokratisches Motto zu der Reform passen: Mehr Demokratie wagen.

Einerseits, weil Demokratie klare Verantwortlichkeiten braucht, damit die Bürger sie zuordnen können. Zum anderen, weil die Demokratie in den Ländern, in den Landtagen, endgültig verkümmert, wenn mit der Reform deren Möglichkeiten nicht erweitert werden. Das hat nichts mit Kleinstaaterei zu tun, wie vor allem Bundespolitiker polemisch unken. Wer Trennung will, muss auch verzichten können.

Zumal der Bund bei dem Trennungshandel ordentlich gewinnt. Gelingt die Reform des Artikels 84 im Grundgesetz, dann können Bundesregierung und Bundestagsmehrheit weit unabhängiger vom Bundesrat agieren als jetzt. Die Länder sind zum Verzicht auf Beteiligungsrechte bereit (die Zahl der Zustimmungsgesetze würde mehr als halbiert), sie bekämen dafür mehr Freiheit bei der Verwaltung der Gesetze, ganz im ursprünglichen Sinn des Grundgesetzes.

Aber die Länder wollen für ihren Verzicht auch mehr politische Handhabe – es sollen ja nicht nur die Länderverwaltungen gestärkt werden. Und deshalb sollte der Bund dort verzichten, wo er ohnehin keine richtige Zuständigkeit besitzt, sondern sie wie bei der Rahmengesetzgebung exzessiv überzogen hat. So wollen die Länder für die Bildung allein zuständig sein, vom Kindergarten bis zur Habilitation (oder eben zur Juniorprofessur). Im Gegensatz zur landläufigen Meinung muss bildungspolitischer Wettbewerb der Länder kein Schaden sein. Oder glaubt jemand, eine Reform wie das zwölfjährige Gymnasium wäre möglich geworden bei Zuständigkeit des Bundes?

Auch das Dienstrecht der Beamten wollen die Länder selber regeln – warum auch nicht, sie sind schließlich die Dienstherren ihrer Beamten. Natürlich ereifern sich die Gewerkschaften. Denn jede Schwächung des Zentralismus schwächt auch die Macht der Verbände, die es einfacher haben, wenn sie nur einige Ministerialbeamte in Berlin, einige Bundestagsmitglieder und Minister überzeugen müssen. Es hat freilich noch niemand behauptet, dass die Macht der Interessengruppen fortschrittsfördernd oder überaus demokratisch ist (außer der Lobby selbst natürlich). Mehr Ländermacht bedeutet hier auch weniger Verbandsmacht.

Und warum sollte die Sozialhilfe nicht regional geregelt werden, oder die Jugendhilfe, der Ladenschluss, das Wohnungswesen, die Arbeitsmarktpolitik – sieht wirklich jemand in der zentralistischen Bundesagentur für Arbeit der Weisheit letzten Schluss? Warum sollten die Länder denn nicht in Grenzen von Bundesrecht abweichen können, wenn es der Region dient? Etwa im Umweltrecht. Das soll künftig ganz Sache des Bundes sein, ein immenser Gestaltungsgewinn. Doch die Länder möchten Abweichungsmöglichkeiten. Das stößt auf Widerstand, Rechtszersplitterung wird befürchtet. Aber ist der jetzige Zustand der Zersplitterung des Umweltrechts zwischen Bund und Ländern wirklich besser?

Was sich in der Kommission anbahnt, ist beachtlich. Wer einen Erfolg der Föderalismusreformer behindert, der schadet der Reformfähigkeit des Landes. Und was den Schmerz angeht, der bei der Trennung des Streitpaares namens Bund und Länder entsteht, empfiehlt sich das alte Sprichwort: Trennung frischt die Liebe auf.

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