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Meinung: Trialog: Wider die Geschichtsfälscher

Zu Recht hat Richard Schröder einen Alleinvertretungsanspruch der PDS für den Osten in Abrede gestellt. Und auch Antje Vollmer ist darin zuzustimmen, dass Versöhnung das falsche Wort für die Debatte um Unterschiede zwischen Ost und West ist.

Zu Recht hat Richard Schröder einen Alleinvertretungsanspruch der PDS für den Osten in Abrede gestellt. Und auch Antje Vollmer ist darin zuzustimmen, dass Versöhnung das falsche Wort für die Debatte um Unterschiede zwischen Ost und West ist. Im Berliner Wahlkampf geht es um bessere Lösungen für die Zukunft der Stadt.

Aber Zukunft gründet immer auch auf der Vergangenheit. Und zu der brauchen wir Klarheit. Dieser Tage jährte sich wieder der 20. Juli. In den 50er Jahren mussten wir noch Schulaufsätze schreiben, ob der Aufstand gegen Hitler trotz Hochverrats-Tatbestand und Bruch des Soldateneides gerechtfertigt war. Die Frage wird heute im Ernst nicht mehr gestellt. Es gibt Grenzen, jenseits deren über Recht oder Unrecht nicht wirklich gestritten werden kann. Da hilft dann keine noch so formalistische Rabulistik.

Milosevic wird das vor dem Kriegsverbrechertribunal erfahren. Ich habe Vergleiche mit Hitler und Auschwitz auch zur Begründung des Nato-Einsatzes im Kosovo immer abgelehnt. Dennoch ist gut, dass Milosevic jetzt zur Rechenschaft gezogen wird.

Auch die zweite deutsche Diktatur ist mit dem Naziterror nicht zu vergleichen. Aber gerechtfertigt wird sie dadurch nicht. Wer seine Bürger mit einer Mauer eingesperrt hat, weil sie sonst massenhaft davonliefen, sollte dieses Monstrum nicht nachträglich mit dem Hinweis rechtfertigen wollen, die Mauer habe dem Frieden gedient. So verhöhnt man die Opfer.

Und die Diktatur in der DDR ging zu Ende, weil die große Mehrzahl der Menschen nicht mehr eingesperrt, bespitzelt und schikaniert sein wollte. Das war die Wende in Deutschland, und diese Revolution richtete sich gegen die SED-Diktatur. Wer das verwischen will, verfälschte geschichtliche Wahrheit. Und das lässt dann für die Zukunft nichts Gutes erhoffen.

Der PDS stünde mehr selbstkritische Bescheidenheit gut zu Gesicht. Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat ist großmütig. Er gibt auch denen eine Chance zur Mitwirkung, gegen die er erst erkämpft werden musste. Und von Siegerjustiz im Zusammenhang mit dem SED-Unrecht kann keine Rede sein - eher von den engen Grenzen, mit Mitteln des Strafrechts ein politisches Unrechtssystem aufarbeiten zu wollen.

Der schnelle Wandel in Deutschland nach vierzig Jahren Teilung und Diktatur hat den Menschen viel zugemutet, im Osten mehr als im Westen. Aber die Menschen im Osten haben den Wandel erzwungen. Darauf können wir alle stolz sein. Sie haben dabei die Freiheit gewonnen, und sie sind, allen Schwierigkeiten zum Trotz, auf dem Weg zu einem Maß an materiellen Lebensmöglichkeiten und sozialer Sicherheit, von dem sie vorher allenfalls träumen konnten. Wer auf diesem Weg nicht wieder abgehängt werden will, wird sich ganz bestimmt nicht gerade der PDS anvertrauen wollen. Denn wie sich deren Einfluss auf die Regierungspolitik eines Landes ganz aktuell auswirkt, macht jedem sofort ein Blick auf die Unterschiede klar, die hinsichtlich Wirtschaftskraft oder Arbeitslosigkeit bestehen zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einerseits und Sachsen und Thüringen andererseits. Wer von diesen Tatsachen ablenkt, schwächt unsere Basis für die Zukunft. Darüber muss diskutiert werden, wie Antje Vollmer sagt, mit Nüchternheit und Sachverstand.

Wolfgang Schäuble ist Präsidiumsmitglied

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