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Meinung: Tückisches Gold

Erstaunlich lange haben die Genossen Spur gehalten. Ohne allzu lautes Murren sind sie ihrem Finanzminister auf den Pfad der Sparsamkeit gefolgt.

Von Antje Sirleschtov

Erstaunlich lange haben die Genossen Spur gehalten. Ohne allzu lautes Murren sind sie ihrem Finanzminister auf den Pfad der Sparsamkeit gefolgt. Hans Eichel predigte nicht nur nach außen sondern auch in seine eigene Partei hinein, dass ohne strikte Konsolidierung der Haushalte bald keinerlei Spielraum mehr für fortschrittliche Politik vorhanden sein wird. Und nur mit fortschrittlicher Politik können Wahlen gewonnen werden. Nun allerdings kommen alt bekannte Reflexe bei der SPD-Mitgliedern wieder an die Oberfläche. Austeilen statt umbauen heißt die Devise, staatliche Angebote machen statt private Nachfrage zu initiieren.

Hermann Scheer greift diesen tief verwurzelten Wunsch der Sozialdemokratie auf und fordert zum Zweck seiner Umsetzung, den Währungs- und Goldschatz der Bundesbank zu plündern. Sinnvolle Investitionen will er mit den Erlösen finanzieren, Arbeitsplätze in der gebeutelten Baubranche und in dem noch jungen Industriezweig für erneuerbare Energien schaffen.

Auf den ersten Blick gleicht Scheers Idee einem Vorgang, der wohl in beinahe jeder Familie bekannt ist. Da gibt es den sparsamen Stammhalter, der mit seinem Geld immer auskommt und der Stolz der ganzen Sippe ist. Doch da gibt es auch den Schlendrian, den Sohn, der immer über seine Verhältnisse lebt und nie seine finanziellen Möglichkeiten im Auge behält. Wenn ausgerechnet der nun auf den Gedanken kommt, Omas Tafelsilber zu verscherbeln, um seine eigene Wohlfahrt zu mehren, dann gilt es vorsichtig zu sein. Denn der Familienschatz dient zur Grundsicherung ganzer Generationen und darf nur im äußersten Fall verkonsumiert werden.

Vorschnell in der Schublade unseriöser Tagespolitik sollte Scheers Vorschlag dennoch nicht verschwinden. Denn in der Tat verfügt Deutschland über einen beachtlichen Reserveschatz, der zu wertvoll ist, als dass sich eine Effizienzprüfung von vorneherein verbietet. Kein Tabu darf die Frage danach sein, wie sinnvoll und effektiv für die Gesellschaft der Gold- und Währungsschatz Deutschlands angelegt ist. Welche Rücklagen und Sicherheiten die Mitgliedsländer der EU der Europäischen Zentralbank EZB übergeben haben, damit sie in die Lage versetzt wird, über die Stabilität der gemeinsamen Währung zu wachen, darüber gibt es Vereinbarungen. Auch über Umfang und Zyklus möglicher Goldverkäufe aus nationalen Reserven haben sich die Nationen verständigt. Schließlich verfügen die Zentralbanken über eine gewaltige Macht auf den internationalen Devisen- und Edelmetallmärkten. Gerade zu verheerend wären die Turbulenzen, die ein überhasteter und verantwortungsloser Verkauf von Währungsreserven und Gold auslösen.

Gerade aus dieser Verantwortung für Stabilität und das Funktionieren von Märkten ergibt sich jedoch die Antwort auf die Frage, wer letztlich Adressat für den Brief des SPD-Parlamentariers Scheer sein muss. Kein anderer als die so genannten Währungshüter, also die von der Tagespolitik autonomen Banker in der EZB und den Nationalbanken sollten - nachdem die Gold- und Währungsreserven ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr in vollem Umfang erfüllen - darüber entscheiden, wie mit dem Schatz umzugehen ist. Sie allein verfügen über die Unabhängigkeit, Entscheidungen herbeizuführen, die verhindern, dass der Familienschatz für parteipolitisch wünschenswerte Ziele verkonsumiert - ja verramscht - wird.

Deutschland hat sich mit dem Beitritt zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion dazu bekannt, die Sicherung der Währungsstabilität in europäische Hände zu legen. Das verlangt nicht nur die Einhaltung europäischer Spielregeln im Umgang mit der eigenen Haushaltsgestaltung, wie erst kürzlich die Auseinandersetzungen um den "blauen Brief" zeigte. Das gebietet auch den verantwortungsvollen Umgang mit Währungs- und Goldreserven. Verantwortung benötigt Unabhängigkeit, damit die Stabilität nicht in Frage gestellt wird. Schon gar nicht, um kurzfristig konjunkturwirksame Programme zu initiieren. In einem solchen Fall gliche der Griff nach dem Gold dem Anwerfen der Druckmaschine für Geld.

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