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Meinung: …Türkei

zum Prozess über die Terroranschläge von Istanbul Zwei Frauen in Kopftüchern schleppen Plastiktüten durch die belebten Straßen von Istanbul, an der Ecke eröffnet ein neues Geschäft für Mobiltelefone – nichts könnte in der türkischen Millionenmetropole gewöhnlicher, unauffälliger und unschuldiger wirken. Der Eindruck täuschte: Mit über 60 anderen Angeklagten müssen sich die beiden Frauen und die Handy-Verkäufer ab Pfingstmontag vor einem Staatssicherheitsgericht für die vier Terroranschläge von Istanbul verantworten, bei denen im letzten November 63 Menschen getötet und rund 700 weitere verletzt wurden.

zum Prozess über die Terroranschläge von Istanbul Zwei Frauen in Kopftüchern schleppen Plastiktüten durch die belebten Straßen von Istanbul, an der Ecke eröffnet ein neues Geschäft für Mobiltelefone – nichts könnte in der türkischen Millionenmetropole gewöhnlicher, unauffälliger und unschuldiger wirken. Der Eindruck täuschte: Mit über 60 anderen Angeklagten müssen sich die beiden Frauen und die Handy-Verkäufer ab Pfingstmontag vor einem Staatssicherheitsgericht für die vier Terroranschläge von Istanbul verantworten, bei denen im letzten November 63 Menschen getötet und rund 700 weitere verletzt wurden. In den Plastiktüten war Sprengmaterial, mit den Mobiltelefonen wurden die Anschläge koordiniert – und der Befehl kam laut Anklage von Osama bin Laden und seinem Terrornetzwerk Al Qaida.

Die Anatomie eines internationalen Terrorangriffs schildert die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift. Die Spur führt durch die halbe Welt. Ausgebildet wurden mehrere Verschwörer in Pakistan und Afghanistan, wo zwei von ihnen sich mit bin Laden persönlich getroffen haben sollen. Den Einsatzbefehl erteilte Al-Qaida-Führungsmitglied Abu Mohammed al-Masri, der auch wegen der Anschläge auf zwei US-Botschaften in Ostafrika von 1998 gesucht wird. Die Finanzierung soll über Europa und Iran abgewickelt worden sein.

Die angeklagten Verschwörer sind türkische Staatsbürger. Monatelang tüftelten sie in Istanbul an ihren Plänen, besorgten sich falsche Papiere, Sprengmaterial und Fahrzeuge; das Handy-Geschäft eröffneten sie, um ihre telefonischen Spuren verwischen zu können. Ihre Ziele – zwei Synagogen, das britische Konsulat und eine britische Bank in Istanbul – wählten sie laut Anklage erst im letzten Moment aus. Ursprünglich wollten sie ein israelisches Passagierschiff angreifen und den Luftwaffenstützpunkt Incirlik, der auch von den USA genutzt wird. Weil das Schiff nie ankam und Incirlik zu gut gesichert war, detonierten die Bomben in Istanbul.

Lebenslange Haft fordert die Staatsanwaltschaft für die fünf Hauptangeklagten, vier bis 23 Jahre für die übrigen Angeklagten. Die vier Selbstmordattentäter kann die Justiz nicht mehr belangen, und die drei Top-Drahtzieher sind flüchtig. Auch im jetzigen Prozess ist unsicher, ob es zum Urteil kommt: Die Staatssicherheitsgerichte, die bisher für politische Straftaten zuständig waren, wurden im Zuge der demokratischen Reformen in der Türkei erst letzte Woche per Verfassungsänderung abgeschafft.

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