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Meinung: Über Bratkartoffelrezepte oder Sex im Alter

„Vom Fernsehen befreit“ vom 20. Juli Ich unterrichte Film und Fernsehen an der Universität der Künste und bin Dokumentarfilmer.

„Vom Fernsehen befreit“ vom 20. Juli

Ich unterrichte Film und Fernsehen an der Universität der Künste und bin

Dokumentarfilmer.

Die beklagenswerte Entwicklung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in den vergangenen knapp 20 Jahren zeichnet sich vor allem durch eine bestürzende Provinzialisierung und Nationalisierung der Programme in einer sich internationalisierenden Welt aus. Inhaltlich und formal aussagestarke Dokumentationen und Reportagen wurden und werden entweder in die Nacht verschoben oder abgeschafft. Die Zahl der Sendeplätze wurde reduziert. Mindesteinschaltquoten wurden und werden festgelegt, nach dem Motto: Ein Film ist gut, wenn er in einem der Dritten Programme über acht Prozent Marktanteil hat, ein Film ist schlecht, hat er weniger. Die Auslandsreportagen finden, wenn überhaupt,

in ihrer Kurzform nur noch in den

beiden einmal wöchentlich ausgestrahlten Auslandsmagazinen von ARD und ZDF statt.

Diese Entwicklung ist nun nicht zufällig oder schicksalhaft. Sie ist aber auch nicht zwangsläufig. Sie hat auch nicht in erster Linie etwas mit dem System, sie hat vielmehr mit den handelnden Personen zu tun.

Sie sind es, die das öffentlich-rechtliche Fernseh-Hauptabendprogramm (und darum geht es!) von den Dokumentationen und Reportagen befreit haben. Mit allen möglichen Rechtfertigungen, die ich mir erspare, hier zu erwähnen. Sie sind es, die dieses klassische journalistische Genre auch weiterhin aus dieser Zeitschiene heraushalten.

Das ist nicht nur eine Verletzung guter öffentlich-rechtlicher Fernsehtraditionen, es zeigt auch ein erhebliches Versagen auf: Eine demokratisch verfasste Zivilgesellschaft braucht das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Das zeigt die Geschichte der alten Bundesrepublik. Aber sie benötigt es vor allem deshalb, um diese Gesellschaft und andere filmisch, künstlerisch, dokumentarisch auszuleuchten, zu dokumentieren. Zu zeigen an prominenten Sendeplätzen.

Das geschieht nicht. Was geschieht? Tiersendungen: Welches Pferdegestüt in Schleswig-Holstein ist eigentlich noch nicht gezeigt worden? Kochsendungen: Wie viel Bratkartoffelrezepte haben wir noch nicht gezeigt? Und immer wieder Protagonisten: Heute sprechen wir

einmal über Sex im Alter!

Die Beispiele lassen sich endlos fortsetzen. Das ist das Bedrückende.

Daher: Ein Kompliment für ihren

bereits erwähnten Artikel und hören Sie nicht auf, über diese Thematik zu

berichten.

Prof. Jörg Hafkemeyer,

Berlin-Kreuzberg

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