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Meinung: Über die Schmerzgrenze Von Alfons Frese

Dummes Zeug, sagt Hartmut Möllring zu dem Vorwurf, er habe keine Einigung im Tarifstreit gewollt. Da hat er Recht.

Dummes Zeug, sagt Hartmut Möllring zu dem Vorwurf, er habe keine Einigung im Tarifstreit gewollt. Da hat er Recht. Der Finanzminister von Niedersachsen und Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) wollte eine Einigung – aber zu seinen Bedingungen. Das heißt Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden und Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Dienstleistungsgewerkschaft will das verhindern und streikt deshalb seit fünf Wochen. An diesem Wochenende sollte endlich die Auseinandersetzung beendet werden, indem sich die Tarifparteien auf einen Kompromiss zwischen 38,5 und 40 Stunden verständigen. Mehr als zwölf Stunden saß man zusammen, um dann festzustellen: alles nur Bluff. Kläglicher ist selten ein Tarifgespräch gescheitert. VonVerhandlungen mag man gar nicht reden, denn es ging nicht um das Für und Wider von Positionen, das Ausloten von Schmerzgrenzen und schließlich das Schnüren eines Pakets mit so vielen Inhalten, dass für alle etwas dabei ist.

Nein. Dieses Tarifgespräch war eine Shownummer, bei der allerdings niemand eine wirklich gute Figur machte. Schon gar nicht Hartmut Möllring. Was ist das für ein Verhandlungsführer, der gar keine Verhandlungen führt? Was ist das für ein Minister, der ohne Interessenausgleich mit den Beschäftigten und deren Vertretern selbstständig verordnen will, was verdient und wie lange gearbeitet wird? Was für ein Demokratieverständnis steckt dahinter? Das Ziel der öffentlichen Arbeitgeber, Geld zu sparen und zwar auch durch längere Arbeitszeit, ist völlig legitim. Schließlich geht es den Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft, die mit ihren Steuern den öffentlichen Dienst finanzieren, seit Jahren auch nicht anders. Aber in welchem Umfang das passiert, mit welchen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, aber auch auf die verschiedenen Beschäftigtengruppen und schließlich den Arbeitsmarkt insgesamt – das war bis zum Sonnabend in diesem Land noch immer Gegenstand von Verhandlungen.

Nach dem Willen Möllrings soll das jetzt anders werden. Der Dienstherr befiehlt, der Angestellte spurt. Nun ist Möllring ein Minister aus Niedersachsen. Doch in den Berliner (Schein-)Verhandlungen wusste er die Mehrheit der Ministerpräsidenten hinter sich. Wollen die alle eine andere Republik? Ist das jetzt die Rache der Wulffs, Stoibers und Oettingers für die nicht eindeutig gewonnene Bundestagswahl? Damals haben die Wähler gegen das schwarz-gelbe Modell votiert, gegen den Kapitalismus pur. Zu den Wählern gehören auch die seit Wochen unter dem Arbeitskampf leidenden Bürger. Deren Belange spielen offenbar keine Rolle in dem Kalkül der Möllrings. Für die Frechheit von Berlin sollten die deshalb vom Wähler die Quittung bekommen.

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