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Meinung: Überspitzelt

Das NPD-Verbot scheitert – der Aufstand der Anständigen muss neu erfunden werden

Von Frank Jansen

Ein bitteres Ende lässt sich offenkundig nicht mehr verhindern. Am kommenden Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung im NPD–Verbotsverfahren verkünden. Höchstwahrscheinlich mit dem Tenor: Die Anträge von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat weisen gravierende Mängel auf, ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren gegen die extremistische Partei ist nicht möglich. Die größte anzunehmende Blamage im Kampf gegen den braunen Ungeist wäre dann Realität. NPD und andere Neonazis könnten triumphieren. Der im Sommer 2000 vom Bundeskanzler proklamierte Aufstand der Anständigen wäre weitgehend diskreditiert.

Wie konnte es dazu kommen, dass ein solches Szenario nun unausweichlich erscheint? Es wäre zu simpel, die Verfassungsschutzämter für das Debakel verantwortlich zu machen, weil sie V-Mann-kontaminiertes Material für die Verbotsanträge lieferten. Natürlich zwingt sich die Frage auf, ob die Verfassungsschützer geglaubt haben, die Aussagen staatlich finanzierter Spitzel in den Anträgen seien nicht problematisch – und wenn doch, werde das Bundesverfassungsgericht sich darüber hinwegsetzen, der Demokratie zuliebe. Sollten sie so gedacht haben, wären die Verfassungsschützer entweder dreist oder naiv. Doch solche Debatten lenken eher vom Kern des Problems ab.

Die Demokraten in der Bundesrepublik haben bis heute keine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus zustande gebracht. Nach größeren Protesten im Anschluss an die Krawalle von Hoyerswerda und Rostock Anfang der 90er Jahre passierte lange Zeit nur wenig. Erst als im Sommer 2000 bei einem mysteriösen Anschlag in Düsseldorf jüdische Aussiedler verletzt wurden, hallte wieder Empörung durch das Land. In der aufgeheizten Atmosphäre erlangte Bayerns Innenminister Günther Beckstein mit der Forderung nach einem Verbot der NPD mehr Aufmerksamkeit als andere Politiker, die sich in den Jahren zuvor ähnlich geäußert hatten. Und plötzlich waren auch Bundeskanzler und Bundesinnenminister für ein Verbot.

Obwohl Otto Schily und prominente Experten vor dem Sommer 2000 gesagt hatten, das die NPD belastende Material reiche nicht aus. Doch nun erschien offenbar wichtiger, der Union nicht die Initiative zu überlassen. So wurden die Verfassungsschützer in ein populistisches Abenteuer getrieben. Diese hatten keine Wahl. Sie mussten für die Verbotsanträge alles zusammenkratzen, was sie hatten. Auch die Parolen bezahlter Spitzel.

Das sich abzeichnende Scheitern dieses Abenteuers erscheint noch tragischer, weil die NPD und vor allem ihr Prozessbevollmächtigter Horst Mahler unermüdlich den Hass auf die Demokratie predigen. Eine makabre Situation: Die Verbotsgründe nehmen zu, doch die Chancen, dieses Verbot juristisch durchzusetzen gehen gegen null. Dafür ist nicht das Verfassungsgericht verantwortlich, auch wenn jetzt schon Vorwürfe aus der Politik kommen. Nein, die politische Klasse selbst hat das drohende Debakel zu verantworten. Und es reicht über die wahrscheinliche Niederlage in Karlsruhe hinaus.

Der Bundesrechnungshof fordert, Regierungsprogramme gegen Rechtsextremismus mangels Effizienz zu stoppen. Selbst die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung bezeichnet einen Teil der nach dem Sommer 2000 initiierten Projekte als „Strohfeuer“. Es zeigt sich: Aktionismus kann nachhaltiges Engagement gegen Rechtsextremismus nicht ersetzen. Vielleicht taugt das NPD-Verbotsverfahren wenigstens als Mahnung.

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