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Ein Mann geht einen langen Gang im Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen entlang. Die Türen zu den Zellen sind geöffnet, Lichtstreifen fallen auf den Gang.

© p-a

Überwachung: NSA oder Stasi – wer ist schlimmer?

Je mehr über die Überwachungspraxis der US-Geheimdienste enthüllt wird, desto häufiger wird von Schriftstellern, Politikern und Journalisten die Stasi-Keule gezückt. Dabei lässt sich der gravierende Unterschied zwischen Stasi und NSA mit einem Wort beschreiben: Hohenschönhausen.

Sieht man mal von den historischen Besonderheiten ab, den Absichten der Täter und dem Leiden der Opfer, lässt sich ohne Übertreibung sagen: Das systematische und regelmäßige Entfernen von Klosprüchen ist barbarischer, als es die Bücherverbrennung der Nazis war. Hier wie dort Ignoranz gegenüber geistiger Kreativität. Hier wie dort Arroganz gegenüber schriftlicher Fixierung gedanklicher Anstrengung.

Analog dazu lässt sich festhalten: Die Abhörprogramme des amerikanischen Geheimdienstes NSA sind schlimmer, als es die Spitzelpraktiken der Stasi waren. So ähnlich jedenfalls sagt es der Schriftsteller Uwe Tellkamp in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“: „Was die Stasi noch unter fürchterlichem Aufwand betrieb, hat man heute mit 15 Mausklicks beisammen.“ Originell freilich war Tellkamps Vergleich nicht. Zuvor hatte die „Märkische Oderzeitung“ bereits geschrieben: „So intensiv und flächendeckend diese NSA arbeitet, wäre Erich Mielke stolz auf sie und ist man versucht, das Kürzel als Neue Stasi Amerikas zu übersetzen.“

In der „Lausitzer Rundschau“ wiederum stand: „Das Gift der Stasi hat schon die DDR-Gesellschaft zerfressen. Die US-Geheimdienste sind drauf und dran, mit ihren ebenso entfesselten Überwachungswahn die Freundschaft zu Europa und speziell zu Deutschland kaputt zu machen.“ Und am deutlichsten wurde der „Donaukurier“, der am vergangenen Samstag auf seiner Titelseite einen Offenen Brief an die Landtags- und Bundestagsabgeordneten der Region veröffentlichte. Darin heißt es: „Fremde Menschen und Mächte, deren Absichten wir nicht kennen, entscheiden darüber, ob wir noch ein Privatleben haben oder nicht. Vor dieser Wirklichkeit verblassen Stasi-Methoden und orwellsche Horrorfiktionen.“

Übersetzt man das alles, stellt sich die Frage: Was sind schon ein paar Jährchen Hohenschönhausen gegen das Sammeln großer Datenmengen?

Denn der kleine Unterschied ist der: Die Stasi bespitzelte die eigene Bevölkerung, um ihr totalitäres Regime zu festigen, die Opposition auszuschalten und Andersdenkende in die Kerker von Hohenschönhausen zu bringen. Bis heute gibt es viele Menschen, die darunter seelisch und physisch leiden. Hingegen muss unter der Abhörpraxis der NSA niemand leiden, der es nicht will. Das Ziel ist, nach allem, was man weiß, die Sicherheit der Menschen zu erhöhen. Selbst Edward Snowden hat keine Hinweise auf andere Intentionen geliefert. Überdies wurden durch die geheimdienstlichen Informationen – das zumindest beteuern alle, die in dieser Frage erkenntnistheoretisch privilegiert sind – Menschenleben gerettet.

So einfach ist das. Und weil es so einfach ist, muss man konstatieren: Wer diesen Unterschied nicht sieht, der will ihn nicht sehen. Wer ihn aber nicht sehen will, verharmlost in der Praxis die Verbrechen des Kommunismus ostdeutscher Prägung.

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