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Meinung: Ulrike Brandt: Bedrückende Gewissheit

Das zugeschneite und umgekippte Fahrrad von Ulrike: Seit zwei Wochen ist es das Symbolbild für die Angst, ein Kind zu verlieren. Dazu die Fotos des aufgeweckten zwölfjährigen Mädchens und die Bilder vom ausgebrannten VW-Polo.

Das zugeschneite und umgekippte Fahrrad von Ulrike: Seit zwei Wochen ist es das Symbolbild für die Angst, ein Kind zu verlieren. Dazu die Fotos des aufgeweckten zwölfjährigen Mädchens und die Bilder vom ausgebrannten VW-Polo. Eine Horrorfahrt, in der das Auf und Ab der Gefühle, das Schwanken zwischen Hoffen und Bangen die Eltern und alle, die mit nach Ulrike suchten, verzehrt hat. Zunächst waren die Eltern und die Fahnder von einer Entführung ausgegangen. Über die Medien haben sie versucht, mit den Tätern in Kontakt zu kommen. Jetzt haben die Eltern von Ulrike schreckliche Gewissheit. Ihr Kind ist tot.

Um 15.20 Uhr hatte sich Ulrike am 22. Februar auf ihr Fahrrad gesetzt, um zum Handballverein Stahl-Finow zu radeln. Dort kam das Mädchen, das für die Popgruppe "No Angels" schwärmte und wegen ihrer lebhaften Art beliebt war, nie an. Es war wohl kein Unfall, der Obduktionsbericht zeigt: Das Mädchen ist missbraucht worden. In einer aufwendigen Suchaktion hat die Brandenburger Polizei getan, was sie tun musste - und blieb doch erfolglos. Nicht die Tornados der Bundeswehr und nicht die Polizeihubschrauber fanden Ulrike. Auch die täglich bis zu 500 Helfer nicht. Entdeckt wurde sie von einem Spaziergänger, dessen Hund angeschlagen hatte. Die Eltern müssen sich jetzt nicht mehr mit der Frage quälen, warum gerade ihr Kind, zufällig und vielleicht nur, weil es anfing zu schneien, in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde. Es ist wahrscheinlich, dass es eine Tat mit Vorsatz war.

Warum es gerade Ulrike getroffen hat, werden sich die Eltern trotzdem fragen. Und es wird sie auch nicht trösten, dass mehr als 50 000 Kinder in Deutschland vermisst werden. Für sie ist die Zeit, in der sie keine Ruhe mehr fanden, weil sie Tag und Nacht nach ihrer Tochter gesucht haben, vorbei. Eine Zeit, die an der Seele frisst und die tiefe Spuren hinterlässt. Vorbei ist aber auch die Hoffnung, Ulrike noch lebend zu finden. Für alle, die mit den Eltern gebangt haben und sich den täglichen Nachrichten über den Fall nicht entziehen konnten, weicht die Anspannung der Trauer. Und der Wut.

Eines müssen Ulrikes Eltern nicht mehr durchmachen - im Gegensatz zu unzähligen Müttern und Vätern, deren Kinder nicht gefunden werden: keine Gewissheit zu finden, ob ihr Sohn oder ihre Tochter vielleicht doch lebt. Kein wahrer Trost.

Susanne Tenhagen

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