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Wer kann sie aufhalten? Isis-Kämpfer im Irak

© dpa

Umbruch im Nahen Osten: Isis rollt wie eine Lawine durch den Orient

Der Nahe Osten steht vor einer grundlegenden Neuordnung. Die Isis-Krieger wollen ein muslimisches Großreich wie zu Mohammeds Zeiten errichten - mit einem mörderischen Scharia-Regime. Und kaum jemand kann sie stoppen.

In diesem Punkte könnte Ägyptens Feldmarschall auf dem Präsidententhron recht behalten. Sollten die Kurden im Nordirak in den nächsten Monaten ihre Unabhängigkeit proklamieren, mahnte dieser Tage Abdel Fattah al Sisi, werde die gesamte Region entlang ethnischer und religiöser Bruchlinien zerfallen und in zahllose rivalisierende Kleinstaaten zersplittern.

Für den Nahen Osten wäre das eine doppelte Katastrophe – das Ende der ineinander verwobenen kulturellen und religiösen Vielfalt, die den Orient über viele Jahrhunderte geprägt und so faszinierend gemacht hat. Und das Ende der arabischen Nationalstaaten, die die westlichen Kolonialmächte nach dem Ersten Weltkrieg aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches gestampft haben. Noch weiß niemand, ob und wann die Lawine des Zerfalls zu rollen beginnt, wie mächtig sie sein und an wessen Grenzen sie zum Stehen kommen wird.

Eine undenkbare Koalition im Kampf gegen Isis

Der Feldzug der Isis-Dschihadisten auf Bagdad jedoch ist mehr als eine Episode in der langen Chronik der Gewalt in der Region. Iraks staatliche Existenz ist mittlerweile so prekär, dass seine Truppen mit amerikanischer, iranischer und russischer Militärhilfe gegen die schwarz gekleideten Eindringlinge zu Felde ziehen – vor Wochen noch eine undenkbare Koalition, und ein untrügliches Indiz für die Dimension der Krise.

Denn die neue Generation von Extremisten hat eine komplette Neuordnung der Region im Sinn. Ihre Kämpfer sind gut organisiert und finanziert, diszipliniert und waffenerprobt. Ihr erklärtes Ziel ist der Aufbau eines Kalifats mit mörderischem Scharia-Regime. Der Umschlag von der extra-territorialen Al-Qaida-Ideologie zur Propaganda für ein autonomes, muslimisches Großreich wie zu Mohammeds Zeiten: Das ist die eigentliche Revolution, die in den kommenden Jahren den gesamten Orient in Atem halten wird.

Die saudische Nordgrenze haben die Isis-Brigaden bereits im Visier

In Syrien haben sich die Isis-Krieger und Al-Qaida-Brigaden bereits in zahlreichen Landstrichen festgesetzt. Jordanien ist das nächste Ziel, wo ebenfalls Teile der Bevölkerung für extremistische Ideen und antiwestliche Ressentiments empfänglich sind. Auch das halb zerbrochene Libyen könnte leichte Beute werden. Der Libanon ist schon lange ein Scherbenhaufen. Selbst in dem 5000 Jahre alten Ägypten wächst das Beben in den Fundamenten. Die stärkste Armee des Nahen Ostens wird mit den Gotteskriegern auf dem Sinai einfach nicht fertig, deren Terror sich immer ungehemmter in das bevölkerungsreiche Niltal ausdehnt.

Sogar die Arabische Halbinsel, die sich nach wie vor als Hort der Stabilität und des Wohlstands inszeniert, könnte bald in diesen destruktiven Sog geraten. Die saudische Nordgrenze haben die Isis-Brigaden bereits im Visier. Und so ahnen inzwischen auch die Könige und Emire am Golf, dass sie mit ihren Waffenkäufen für Syriens Rebellen und ihren Werbemilliarden für salafistisch-puritanische Weltmission Kräfte heraufbeschworen haben, die ihnen selbst gefährlich werden könnten. Den Kernnationen des Nahen und Mittleren Ostens droht ein langes Siechtum – ihre Territorien durchlöchert mit Enklaven islamistischer Elitekämpfer, ihre staatliche Architektur zerfressen von Kämpfen, Attentaten und Gewalt.

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