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Umgang mit Despoten: Moralisch in der Pflicht

Frankreichs Außenministerin hat gezeigt, wie man es nicht macht. Aber wie ist der richtige Umgang mit arabischen und anderen Despoten?

Der Westen ist verunsichert. Die Volksaufstände in der arabischen Welt haben nicht nur Despoten verjagt. Sie zwingen auch den Westen, seinen Umgang mit autoritären Machthabern und Diktatoren zu überdenken. Darf man ihnen überhaupt noch die Hand schütteln? Muss man sie boykottieren?

Wie man es auf keinen Fall machen sollte, hat die bisherige französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie vorgemacht. Mitten in einer Revolte in Tunesien hat sie dem Regime Kooperation in Sicherheitsfragen angeboten. Während des Volksaufstandes, bei dem schon viele Demonstranten getötet worden waren, hat sie Urlaub in Tunesien gemacht; ihre Eltern haben dort Immobiliengeschäfte mit Vertrauten des Ben-Ali-Clans getätigt. Diese kolossalen Fehleinschätzungen kosteten sie am Sonntag ihr Amt. Damit ist Alliot-Marie das erste westliche Polit-Opfer des Umbruchs in der arabischen Welt.

Folgt daraus, dass Bundespräsident Christian Wulff jetzt nicht nach Kuwait hätte fahren dürften, das von einem Familienclan regiert wird? Nein. Das deutsche Staatsoberhaupt nimmt an den Feiern zum 20. Jahrestag der Befreiung des Golfstaates von der Besatzung durch den irakischen Diktator Saddam Hussein teil. Ein ehrenwerter Anlass, denn damals half die Weltgemeinschaft dem Land, seine Rechte durchzusetzen. Richtig wäre es aber, bei einem solchen Staatsbesuch auch andere gesellschaftliche Vertreter zu treffen. Denn die westliche Politik krankt nicht daran, dass sie Umgang mit unliebsamen Staatsoberhäuptern hat. Daran geht kein Weg vorbei. Sie krankt daran, dass sie zu oft ausschließlich auf eine Karte, die der Herrschenden, setzt.

Wie man es auch machen kann, hat die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice 2005 vorgemacht, als die USA kurzzeitig echten Druck zur politischen Öffnung auf Ägypten ausübten: Sie sagte einen Besuch aus Protest gegen die Inhaftierung des Oppositionellen Ayman Nour ab, der nur wenige Wochen danach freikam und sogar als Gegenkandidat gegen Mubarak bei den Präsidentschaftswahlen antreten durfte. Nach dem Wahlsieg der islamistischen Hamas in den Palästinensergebieten setzten die USA dann wieder ausschließlich auf Stabilität – und Nour wanderte, von den USA unbeachtet, zurück ins Gefängnis. Dies wiederum war ein Lehrbeispiel für lupenreinen politischen Zynismus Washingtons.

Auch bedachter Handel ist nicht verwerflich. Wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit in Saudi-Arabien Türen für Berliner Unternehmer öffnen will, ist das an sich nicht falsch. Denn es geht auch um Geschäfte mit saudischen Mittelständlern, die seit langem die Zurückhaltung der Deutschen bedauern. Den Mittelstand in arabischen Gesellschaften zu stärken, ist politisch vernünftig. Dennoch ist eine reine Wirtschaftsreise unter Ausschluss der Medien in diesen Tagen des Aufruhrs das falsche Signal.

Beim neuen Nachdenken über die alte Frage, wie Politik und Moral zueinander stehen, gibt es weiter keine simplen Antworten. Außenpolitik ist eine Gratwanderung, bei der westliche Politik in der Vergangenheit zu oft zur falschen Seite abgerutscht ist. Wenn Außenminister Guido Westerwelle in das neue Tunesien und Ägypten reist, ist das richtig. Dass er wenige Tage zuvor dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad die Hand geschüttelt hat, war auch richtig. Dieser Fototermin war der Preis für die Freilassung der beiden deutschen Journalisten. Gerade angesichts der Ereignisse in der arabischen Welt aber muss der Moral in der Realpolitik künftig mehr Gewicht zukommen.

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