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Umstrittene Kunstaktion: Verbrennen ist vielleicht doch etwas heikel

Typisch Künstler: Oft überschreiten sie die Grenze des guten Geschmacks. Bernd Matthies wirft einen Blick in die Seele des Künstlers, der 60 000 Sarrazin-Bücher "recyceln" will.

Bitte, Künstler sind auch nur Menschen, aber eben doch irgendwie anders. „Als Künstler werden heute ... die kreativ tätigen Menschen bezeichnet, die Kunstwerke schaffen“, heißt es bei Wikipedia, aber dieser Zirkelschluss lässt offen, was da im Künstler wirkt und rauswill, ihn zu einer Entäußerung zwingt, einer schöpferischen Eruption um den Preis der Selbstaufgabe. Eine Qual!

Schauen wir uns einen solchen Prozess einmal aus der Nähe an, wie kürzlich bei der Vorbereitung der Berlin- Biennale 2012.

Künstler: Wir brauchen jetzt aber mal was, was richtig knallt, politisch unkorrekt bis zum Geht-nicht-Mehr.

Direktor: Oh, oh. Vergiss es. Das macht unser Publikum nicht mit. Willst du die alle in die Büsche treiben?

Künstler: Hm, da hast du recht. Aber wie wäre es, wenn wir was Unkorrektes machen, was unserm Publikum gefällt?

Direktor: Komm, hör auf, da hab ich doch neulich dieses Video mit den Nackten gezeigt, die in der Gaskammer Fangen spielen, das hab ich zwar selbst nicht kapiert, aber es gab einen Scheißärger.

Künstler: Na, ja, Gaskammer, kein Wunder. Das ist ein bisschen heavy. Andererseits, wenn das da in deiner Gaskammer Nazis gewesen wären, dann …

Direktor: Abgefahren! Man könnte zum Beispiel Bücher verbrennen, aber eben so was wie „Mein Kampf“, dann ist das Unkorrekte gewissermaßen korrekt …

Künstler: Sarrazin! Schauderhaftes Buch! Schauderhafter Typ! Statistiker!

Direktor: Ja, die Richtung. Also, Sarrazin ist okay, wir könnten mal einen großen Stapel von diesen Machwerken einsammeln und dann am Ende irgendwas Plakatives anrichten. Verbrennen, na ja, verbrennen ist vielleicht doch ein bisschen zu heikel.

Künstler: Wegschmeißen! Zerfetzen! Ausrrrradie … (hustet) Ich schlage vor, das Buch als aktives Werkzeug zu benutzen, welches den Menschen ermöglicht, ihre eigene Position zu bekunden.

Direktor: Ja, jetzt hast du‘s. Und hinterher werden die Bücher, sagen wir, umweltfreundlich recycelt. Für einen guten Zweck! Dagegen kann ja niemand was haben, oder?

Und so kam es, möglicherweise, zu dem Plan, in den kommenden drei Monaten 60 000 Sarrazin-Bücher einzusammeln, daraus eine Installation zu schaffen und sie anschließend zu „recyceln“. Das ist nichts Böses, das ist nur Kunst, die rauswill aus dem Künstler. Er schafft Kunstwerke, da kann man einfach nichts gegen machen.

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