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Meinung: UN-Truppen? Der Hisbollah-Chef lacht sich schlapp

Auch der deutsche Beitrag beschränkt sich darauf, Präsenz zu zeigen Von Henryk M. Broder

Aus gegebenem Anlass möchte ich an dieser Stelle daran erinnern, dass es in und rund um Israel/Palästina fünf internationale Armeen gibt, die für Frieden und Stabilität sorgen sollen. Da ist zuerst die UNTSO, die United Nations Truce Supervision Organisation. 1948 gegründet, wacht sie seit 54 Jahren über den Waffenstillstand zwischen Israel und seinen Nachbarn. 154 Militärbeobachter, dazu 220 Zivilisten, Budget in diesem Jahr: 15 Millionen Dollar.

Dann gibt es die Unifil, United Nations Interim Force in Lebanon, 1978 gegründet, um nach dem Abzug der Israelis der libanesischen Regierung zu helfen, im Südlibanon wieder Fuß zu fassen. 2000 Soldaten, dazu 400 Zivilisten, kosten die UN im laufenden Jahr rund 100 Millionen Dollar.

Die Undof, United Nations Disengagement Observer Force, 1974 gegründet, überwacht das „Entflechtungsabkommen“ zwischen Israel und Syrien auf den Golanhöhen. 1000 Soldaten, 140 Zivilisten, Kosten: Etwa 44 Millionen Dollar.

Die MFO, Multinational Force & Oberservers, 1979 gegründet, ist keine UN-Truppe. Sie überwacht die israelisch-ägyptische Grenze nach dem Abkommen von Camp David. Jährliche Kosten: etwa 50 Millionen Dollar. Die Zahl der militärischen und zivilen Angehörigen ist nicht bekannt.

Schließlich gibt es noch die TIPH, Temporary International Presence in Hebron, 1994 gegründet, nachdem ein israelischer Siedler 29 betende Muslime in der „Machpela“ ermordet hatte. 71 unbewaffnete Beobachter gehen auf Streife und protokollieren, was in Hebron passiert. Kosten: erheblich, aber nicht bekannt.

Was die vielen Armeen in und rund um Israel machen, weiß niemand genau. Es reicht, dass sie da sind, Präsenz zeigen. Am sichtbarsten ist ihre Präsenz an Feiertagen, wenn die Angehörigen von UNTSO, Unifil, Undof, MFO und TIPH ans Meer fahren und mit ihren weißen Fahrzeugen, auf denen die Buchstaben UN aufgemalt sind, den Tel Avivern die Parkplätze an der Promenade wegnehmen. Dann sieht man, wie recht George Bernard Shaw hatte, als er sagte: „In terms of fun nothing comes close to war.“

Und nun soll eine sechste Armee geformt beziehungsweise die bestehende Unifil aufgestockt werden, von 2000 auf 15 000 Soldaten, um den Südlibanon zu befrieden, nachdem die Israelis mit ihrer „völkerrechtswidrigen“ Intervention dafür gesorgt haben, dass die libanesische Armee nach 38 Jahren Abwesenheit wieder in das Gebiet zwischen dem Fluss Litani und der Südgrenze einrücken konnte. Weil aber die libanesische Armee ebenfalls lieber Präsenz zeigt als kämpft, ist sie auf die Hilfe durch eine richtige Armee angewiesen. In der „neuen“ Unifil wird es auch ein deutsches Kontingent geben, und darüber ist man in Deutschland ganz aufgeregt. Zwar stehen deutsche Soldaten an vielen Orten der Welt, aber der Nahe Osten ist etwas Besonderes, denn es geht um deutsche Geschichte und deutsche Verantwortung gegenüber den Juden.

„Was ist“, fragen Beobachter besorgt, „wenn deutsche Soldaten auf israelische Soldaten schießen müssen?“ Die Frage stellt sich zwar nicht, weil es die Hisbollah ist, die entwaffnet werden soll, wogegen sie bereits ihren Widerstand angekündigt hat, aber sie klingt gut. Deswegen sollen auch deutsche Truppen vor allem Präsenz zeigen und vom Meer her den Waffenschmuggel von Syrien in den Libanon überwachen, der auf dem Landwege stattfindet. Denn Syrien wünscht sich keine fremden Truppen an seiner Grenze. Und der deutsche Verteidigungsminister wünscht sich für seine Truppe von den UN ein Mandat, das „robust, nicht offensiv“ sein soll. Man will sich notfalls selbst verteidigen dürfen, mehr nicht.

Irgendwo in einem Bunker sitzt Hisbollah-Chef Nasrallah, schaut CNN und Al Dschasira und lacht sich schlapp. „In terms of fun“, sagt er sich, „nothing comes close to war“. Er hat die Israelis Mores gelehrt und er wird nicht zögern, auch den Europäern eine Lektion zu erteilen. Dabei wäre es so einfach, den Spieß umzudrehen: Die Nato müsste Israel in die Allianz aufnehmen und jeden Angriff auf Israel zu einem Verteidigungsfall erklären. Das wäre auch für die Hisbollah mehr, als sie verkraften kann. Aber es wird nicht passieren, denn auch die Nato hat sich darauf spezialisiert, Präsenz zu zeigen. Alles andere wäre kontraproduktiv – in terms of fun.

Der Autor ist Reporter beim „Spiegel“.

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