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Geduldig: Bundeskanzlerin Angela Merkel

© AFP

Unbeeindruckt: Merkels Nehmerqualitäten

Ein Gerhard Schröder wäre bei dem Trommelfeuer an Häme, was derzeit gegen die Kanzlerin abgeschossen wird, längst in Aktionismus verfallen. Doch Angela Merkel ist über so etwas erhaben. Alles läuft in ihrem Sinne - früher oder später.

Selten in der deutschen Nachkriegsgeschichte klafften Lage und Stimmung weiter auseinander als heute. Die Stimmung (mies) ist bekannt. Betrachten wir also die Lage: Die Konjunktur ist gut, der Arbeitsmarkt stabil, in diesem und dem nächsten Jahr werden voraussichtlich fünf und sieben Milliarden Euro an Steuern mehr eingenommen, als erwartet worden war. Der Rückgang bei der Kurzarbeit entlastet die Staatskasse um eine weitere Milliarde.

Das ist schon mal nicht wenig. Doch es wird noch besser: Angela Merkel hat die FDP gezähmt und den Liberalen das Dogma der Steuersenkung ausgetrieben. Eine Riesenleistung. Sie wiegt mindestens so schwer, wie die von Joschka Fischer, dereinst die Grünen zum Kosovokrieg verführt und den Pazifismus verabschiedet zu haben. Außerdem hat sich die Kanzlerin gleich zwei Mal in jüngster Zeit gegen Nicolas Sarkozy durchgesetzt - bei der europäischen Wirtschaftsregierung wie beim harten Sparkurs. Der EU-Gipfel ist ihr Triumph.

Und sonst? Am zufriedensten sind die Deutschen nach wie vor mit den drei Unionspolitikern Guttenberg, von der Leyen und Schäuble. Das größte Sparpaket in der deutschen Geschichte wurde ohne Steuererhöhungen verabschiedet. Wäre Rot-Grün an der Macht, wäre der IWF nicht in die Euro-Rettung eingebunden und die Griechen zum Sparen animiert worden - und General Motors würde für Opel jetzt in deutschen Steuergeldern schwimmen.

Bleibt die Bundespräsidentenkür. Auch die könnte für Merkel kaum besser laufen. Mit Joachim Gauck schicken SPD und Grüne einen sehr respektablen, aber chancenlosen Kandidaten ins Rennen, nur um sich mittelfristig ihre einzige Machtoption im Bund, Rot-Tiefrot-Grün, zu verbauen, weil sie die Linkspartei durch die Gauck-Kandidatur gehörig verprellt haben. Gysi und Lafontaine schäumen vor Wut. Das verstehe, wer will.

Natürlich gibt's Getöse an den Rändern. Koch, Seehofer, Hahn, Dobrindt, Gauweiler, Lindner, Biedenkopf und wie sie alle heißen. Aber der Nukleus der Macht, das Kabinett, arbeitet intensiv und vom Krach ebenso unbeeindruckt wie die Fußballer in Südafrika von den Vuvuzelas. Im Kabinett werden die koalitionsüblichen Differenzen intern ausgetragen. Von Krise keine Spur. Wer gar über Neuwahlen spekuliert, ist ein Fantast.

Denn was Merkel gelernt hat, ist die Tugend des Aushaltens. Ein Gerhard Schröder wäre bei dem Trommelfeuer an Häme, was derzeit gegen die Kanzlerin abgeschossen wird, längst in Aktionismus verfallen. Schon wieder vergessen, die schlechte, alte Zeit? Nein, weder Machtworte noch Basta-Allüren garantieren gute Politik, sondern die Gabe, auch derbe Schmähungen zu ertragen, ohne jeden Morgen mit Buddha gefrühstückt haben zu müssen. Sie kann's halt, und sie weiß: Der Wind wird sich auch wieder drehen.

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