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Meinung: Und alle Fragen offen

Die palästinensischen Parteien haben sich geeinigt – ohne Europas Bedingungen zu erfüllen

Fünf Wochen hat der palästinensische Premier Ismail Hanija Zeit, eine Einheitsregierung von Hamas und Fatah zu gründen, nachdem sich beide Seiten in Mekka geeinigt haben. Fünf Wochen haben auch Europa und die anderen Mitglieder des Nahostquartett Zeit, zu überlegen, wie man mit der neuen Regierung umgeht.

Wenn der Kompromiss zwischen Hamas und Fatah hält, beendet er zwar den Bürgerkrieg in Gaza. Im Dokument, auf das sich beide Seiten geeinigt haben – ein Auftrag von Präsident Mahmud Abbas an Ismail Hanija zur Regierungsbildung –, werden die entscheidenden Fragen aber ausgespart. Es ist weder von der Anerkennung Israels die Rede noch von einem Gewaltverzicht der Hamas. Allein die Einhaltung bestehender Verträge zwischen der PLO und Israel wird angemahnt, wenn auch in vagen Worten. Die internationale Gemeinschaft steht also vor einem Dilemma. Ihre Bedingungen wurden nicht erfüllt. Andererseits will man die sich bietende Chance nicht sofort wieder zunichte machen.

Wenn Hamas nicht noch weitere Schritte unternimmt, sollte die EU ihr größtes Pfund – Direktzahlungen an die Autonomiebehörde – noch zurückhalten. Ohnehin stimmt es ja nicht, dass Europa nichts gezahlt hätte, im Gegenteil. Die EU-Gelder für die Palästinenser sind im letzten Jahr um 27 Prozent auf 651 Millionen Euro gestiegen. Sie flossen nur nicht wie in früheren Jahren größtenteils in Regierungstöpfe, sondern an der Hamas vorbei direkt an Bedürftige und in lokale Projekte. Offenbar wollen die Saudis die palästinensische Regierung mit mehreren hundert Millionen Dollar Finanzhilfe flüssig machen. Das mindert den iranischen Einfluss auf die Autonomiebehörde. Und es gibt Europa mehr Zeit, den Spielraum der neuen Regierung auf diplomatischem Wege auszutesten, bevor es sein wirksamstes Druckmittel zur Mäßigung der Hamas aus der Hand gibt.

Auch für Israel sind die bequemen Zeiten vorbei. Bisher hatte es gereicht, auf die Kämpfe im Gazastreifen zu verweisen, um die Aussichtslosigkeit einer Annäherung augenfällig zu machen. Nun muss sich die Regierung von Ehud Olmert ein wenig mehr einfallen lassen. Zwar ist es richtig, dass Jerusalem auf der Rückgabe des entführten Soldaten Schalit Gilad besteht und weiter darauf pocht, dass die Anerkennung des Existenzrechtes Israels und Gewaltverzicht die Bedingungen für Verhandlungen sind. Die internationale Gemeinschaft kann von Israel nun jedoch erwarten, konkretere Angebote zu machen, welche nächsten Schritte man im Friedensprozess bereit ist zu gehen, wenn die Vorbedingungen erfüllt sind. Es muss also auch vonseiten Israels Anreize für die Hamas geben, sich zu bewegen.

Der erzielte Kompromiss ist vor allem ein Erfolg für Saudi-Arabien. Die Saudis haben verstanden, dass sie sich nicht länger vornehm zurückhalten können, wenn sie den destruktiven Einfluss Irans in der Region zurückdrängen wollen. Selbst wenn die Einigung nicht die erwartete Abkehr der Hamas von ihrer Großpalästina-Ideologie gebracht hat, so ist eine Einheitsregierung doch allemal besser als ein Bürgerkrieg oder eine Hamas, die wieder in den Untergrund geht. Ob die Radikalen in Zukunft zu einem Frieden fähig sind, bleibt im Positiven wie im Negativen offen. Für die Europäer heißt es nun, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren – ohne jedoch zu früh einzuknicken.

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