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Ungarn: Soziale, wärmende Geldverbrennung

In Ungarn hat das Wort "Geldverbrennung" eine ganz andere Bedeutung als bei uns. Ungarns Zentralbank schreddert all die jährlich aus dem Verkehr gezogenen alten Banknoten und presst sie zu Briketts.

Dass es kalt ist in Europa, dürfte sich herumgesprochen haben. Gegen Kälte hilft Wärme. Wärme kostet. Zum Beispiel Geld. In Zeiten, in denen die Menschen kein Geld hatten, um sich Kohle zu kaufen, verbrannten sie schon mal Möbel, Türen, Fensterrahmen, alles, was brennt und im Feuer Wärme abgibt.

Ohne Wärme kann der Mensch nicht leben. Er glaubt ja nur, dass ein Leben ohne Geld kein Leben sei. Wäre das so, würden wir unser Geld schließlich nicht verbrennen. Das heißt, wir Normalmenschen verbrennen es ja auch nicht, sondern die Banker, die Manager der Hedgefonds, die Bösen eben. Und die Ungarn. Die Ungarn haben auch kein Geld, es gibt sogar sehr viele arme Menschen dort. Und auch dort ist es bitterkalt. Und auch dort brauchen sie dringend Wärme. Die armen Menschen verbrennen aber keine Möbel, Türen, Fensterrahmen, möglicherweise, weil das alles schon verbrannt ist in diesen kalten Wochen. Aber wenn, dann hat es nicht gereicht. Es ist immer noch bitterkalt in Ungarn. Und nun verbrennen sie Kohle. Ihre Kohle. Also nicht die, die in der Erde lagert, sondern die andere Kohle.

Die Kohle, die man auch Geld nennt. Die Ungarn verbrennen Geld, jährlich rund 200 Milliarden Forint, das sind rund 800 Millionen Euro. Das Wort „Geldverbrennung“ hat in Ungarn eine ganz andere Bedeutung. Eine positive nämlich, eine soziale, menschliche, ja, wärmende Bedeutung. Ungarns Zentralbank schreddert all die jährlich aus dem Verkehr gezogenen alten Banknoten und presst sie zu Briketts.

Die Briketts kommen bedürftigen Menschen zu. 200 Milliarden Forint, das sind 40 bis 50 Tonnen Briketts, die einen Brennwert haben, der dem von Braunkohle ähnelt. Bislang ist aber noch niemand auf die Idee gekommen, die Briketts wieder auseinanderzu friemeln und die Einzelteile zu neuen Forints zusammenzupuzzeln. Daran sieht man schon, dass Wärme viel wichtiger ist als Geld.

Weil das aber nicht jeder so sieht, sind die Mitarbeiter des Schredder- und Presswerks an strengste Sicherheitsauflagen gebunden. Zum Beispiel tragen sie komplett taschenlose Kleidung. Man mag natürlich einwenden, dass man für die 40 bis 50 Tonnen Briketts, also für 200 Milliarden Forint, also für rund 800 Millionen Euro im Jahr, zu deren Lebzeiten eine Menge Sachen hätte machen können gegen die Bedürftigkeit. Aber das ist wahrscheinlich nur die Sicht der Konsumfetischisten. Viel erhabener ist es doch, vor dem Ofen zu sitzen und leichten Herzens ein Milliönchen nachzulegen.

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