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Vertrauen stand als Versprechen am Anfang dieses Bündnisses. Nicht nur der Fall Edathy hat die große Koalition mittlerweile ins Wanken gebracht.

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Unmut in der großen Koalition: Endlich – die Roten in der Defensive!

Nach dem Fall Edathy werden aus kleinen Differenzen in der Koalition Grundsatzfragen. Vertrauen stand als Versprechen am Anfang dieses Bündnisses. Mittlerweile ist es eine Arbeitsbeziehung von Leuten, die sich gegenseitig belauern. Aber wieso sollen wir, die Bürger, denen dann noch vertrauen?

Von Robert Birnbaum

Man wäre wirklich gern dabeigewesen bei dem trauten Dreiergespräch, das Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer seinerzeit auf dem Höhepunkt der Edathy-Friedrich-Krise geführt haben. Nachdenklich sei es verlaufen, hat Gabriel hinterher gesagt. Das darf als Hoffnungszeichen gelten: Wenigstens da ist also nachgedacht worden darüber, was eine politische Lappalie mit einer Regierungskoalition anrichten kann, die noch kaum mehr vorzuweisen hat als eine übergroße Mehrheit. Die Krise wird jetzt, in den Faschingstagen, mächtig aufgeschäumt werden von Büttenrednern mit Parteibuch. Wenn der Aschermittwoch vorbei ist, wird es wieder ernst.

Das Schlüsselwort heißt jetzt Vertrauen. Man sollte es ernst nehmen, gerade weil mancher mit dem Wort Schindluder treibt. Vertrauen stand als Versprechen am Anfang dieses Bündnisses. Keiner wollte die große Koalition von Herzen. Trotzdem kam sie zustande, weil Gabriel der SPD vermitteln konnte, dass den anderen zu trauen sei.

Ob sich das Trio im Kanzleramt an das entscheidende Dreiergespräch erinnert hat, in dem sie sich dieses Vertrauen schenkten? Am gleichen Tag im November begann jene Kette, an deren Ende ein Minister gehen musste, weil er im Vertrauen Gabriel über einen drohenden Problemfall in seiner Partei informierte.

Die Krise schwelt seit langem - unabhängig vom Fall Edathy

Dass der Minister Friedrich das nicht für sich behielt, war gut gemeint, aber falsch. Dass der Parteichef Gabriel das brisante Wissen nicht für sich behielt, war auch nicht böse gemeint und auch falsch. Dass hier – und nicht beim Krisenmanagement seines Fraktionschefs Thomas Oppermann – der Auslöser der Krise lag, steht außer Frage.

Es war aber nicht mehr als ein Auslöser. Tatsächlich schwelt die Krise seit langem und völlig unabhängig vom Fall Edathy. In der Union herrschte Unmut über einen Partner, der mit seinem Gestaltungswillen die größere Regierungspartei schläfrig aussehen ließ, sich seiner Leistungen lauthals rühmte und obendrein dauernd zu neuen Mehrheiten hinschielt. Dieser latente Unmut – in dem ein gutes Stück Unzufriedenheit mit sich selbst steckte – hat sich nach Friedrichs Abgang schlagartig entladen: endlich – die Roten in der Defensive!

Klima des allgemeinen Misstrauens

Dieser Hintergrund macht die Krise so gefährlich. Ginge es nur um einen geschwätzigen Minister und einen geschwätzigen Parteichef – die Sache wäre mit Gesten wechselseitigen Bedauerns zu bereinigen. Aber mancher hat „Vertrauen“ als Kampfbegriff entdeckt. Mit der Forderung, die SPD müsse erst mal neues Vertrauen erwerben, lässt sich der lästige Partner prima in der Defensive halten. Die Versicherung, dass man den Minister Friedrich nicht mit Sach-Zugeständnissen aufwiegen wolle – Gerede.

Weil sie das bei der SPD natürlich merken, wächst jetzt zur Abwechslung mal dort der Unmut. Das Ergebnis ist ein Klima des allgemeinen Misstrauens, in dem jeder dem anderen Falschspiel unterstellt. Jede Differenz über Doppelpässe oder Rente wird so zur Grundsatzfrage: Sagt, wie haltet ihr’s mit der Koalition?

Scheinbar sitzt die Union am längeren Hebel. Doch jedes Mal, wenn sie den Hebel betätigt, verhindert sie das, was sie doch lauthals einfordert: dass Vertrauen neu wachsen müsse. Das kann man wollen. Dann bleibt diese Koalition eine Arbeitsbeziehung von Leuten, die sich gegenseitig belauern. Aber wieso sollen wir, die Bürger, denen dann vertrauen?

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