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Meinung: Unselig sind die Einäugigen

Zweierlei Maß im Streit um die Nahost-Resolution der UN

Von Christoph von Marschall

Das kann einen schon zornig machen: Fast eine Woche ist es her, dass Israel ein Wohnhaus in Gaza bombardierte. Treffen wollte es einen Drahtzieher des Terrorismus, getötet wurden 14 Unschuldige, darunter neun Kinder, und mehr als hundert verletzt. Bis heute hat der UN-Sicherheitsrat das unverhältnismäßige Vorgehen nicht verurteilt. Verhindert haben das wieder einmal die USA. Muss man da nicht Verständnis für die Erbitterung der arabischen Welt haben?

Inzwischen weiß man mehr, und auch das kann einen zornig machen. Amerika würde diesmal sehr wohl eine Verurteilung Israels zulassen. Unter einer Bedingung: Dass auch der palästinensische Terrorismus verurteilt wird und die drei Gruppen Islamischer Dschihad, Hamas und die Al-Aqsa-Brigaden genannt werden. Was auf erbitterten arabischen Widerstand stößt. Muss man da nicht Verständnis für die Erbitterung der Israelis und vieler Amerikaner über die Doppelzüngigkeit in den Vereinten Nationen haben? Jene, die zu Recht verlangen, dass man Israel verurteilen soll, weil es die unabsichtliche Tötung Unschuldiger in Gaza in Kauf nahm, weigern sich gleichzeitig, die absichtliche Tötung unschuldiger Zivilisten zu kritisieren.

Dazu passt eine Recherche des „Spiegel“ über die Aktivitäten der Hisbollah und Hamas in Europa – und den laxen Umgang der EU-Staaten damit. Diese beiden Terrororganisationen unterhalten hier Ableger, auch in Deutschland – unter dem gleichen n und mit den gleichen Emblemen. Und das alles ganz legal. Sie sammeln Geld, das mutmaßlich hilft, Terroranschläge im Nahen Osten zu finanzieren.

Noch sagen die deutschen Strafverfolgungsbehörden, sie könnten wenig tun, solange die Anhänger hier zu Lande keine Straftaten begehen, solange sie zwar verbal radikal seien, ansonsten aber gesetzestreu. Das ist ein Unterschied zur verbotenen kurdischen Terrororganisation PKK, der man Schutzgelderpressung und andere Straftaten in Deutschland nachweisen konnte. Allerdings: Ist nicht bereits der Aufruf zu Mord oder Völkerhass strafbar? Und was ist mit der anderen Handhabe: Dass die EU Organisationen wie Hisbollah, Hamas und Dschihad auf die Terrorliste setzt? Doch ein Vorstoß des britischen Premierministers Tony Blair ist kürzlich gescheitert.

Ja, man darf wütend sein auf die Regierung Scharon. Und man darf wütend sein auf die palästinensischen Terroristen. Am allergrößten aber müsste der Zorn auf alle sein, die ihre Einäugigkeit noch als Zeichen einer höheren Moral ausgeben.

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