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Meinung: Unser Mann in Doha

Von Axel Vornbäumen

In der so genannten BND-Affäre hat die Bundesregierung die Deutungshoheit verloren. Keine Frage, gegen eine täglich mit immer neuen Details zum Wirken deutscher Agenten vor und während des Irakkriegs erscheinende „New York Times“ ist Berlin derzeit einem Uhrmacher nicht unähnlich, dem man vor der diffizilen Reparatur einer Taschenuhr ein paar Boxhandschuhe übergestreift hat. Hilflos sitzt er vor der filigranen Arbeit, wohl wissend, dass es auf jedes Rädchen ankommt, wenn das große Ganze funktionieren soll.

Das neuste Detail der NYT – die Meldung über die enge Zusammenarbeit eines deutschen Verbindungsoffiziers im Büro des damaligen US-Oberkommandierenden Tommy Franks in Doha (Katar) – mag Eingeweihten längst bekannt gewesen sein. Und doch arrondiert es das wenig schmeichelhafte Bild, das derzeit in immer kräftigeren Farben am Entstehen ist: Am Nein der Regierung Schröder zum Irakkrieg war sehr viel Schein.

Denn die Berliner Verbindung zum Krieg war ganz offensichtlich nicht nur jene Einbahnstraße, auf der sich die Bundesregierung Informationen über den Fortgang des Irakkrieges aus nächster Nähe beschaffen konnte. Unser Mann in Doha war vice versa auch Anlaufstelle für die Amerikaner, die, womöglich kriegsrelevante, Informationen von jenen beiden BND-Agenten erhalten konnten, die ihrerseits im Irak tätig waren. In acht Depeschen berichteten die deutschen Agenten über militärische Präsenz im Irak, eine Leistung, die nach Kriegsende von Washington durchaus gewürdigt wurde – alle drei BND-Mitarbeiter wurden nach Ende des Krieges mit einer US-Verdienstmedaille ausgezeichnet.

War’s der Pragmatismus der Widerwilligen? War’s die zerknirschte Einsicht, dass das wahlwirksame Nein auf offener Bühne nur durch entsprechende Beflissenheit hinter den Kulissen auszugleichen sei? Und wie viel Doppelmoral verträgt die Diplomatie? All das sind Fragen, die in einen Untersuchungsausschuss gehören. Geschichte wird dort aufgearbeitet werden müssen. Und es wird auch wieder um die Deutungshoheit gehen. Die darf nicht nur bei denen liegen, die Geschichte gemacht haben. Aber sie alleine einer, wenn auch renommierten, US-Zeitung zu überlassen – so weit sollte man auch nicht gehen.

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