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Tom Schilling als Friedhelm im Schützengraben.

© ZDF/David Slama

„Unsere Mütter, unsere Väter“: Die Sprache des Krieges

Der ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" erteilt seine Lektion aus der Perspektive der jungen Leute, die in den Krieg geworfen werden. Als Zuschauer bekommen wir damit eine Sprache, in der wir sprechen können über das, was bisher zumeist unaussprechlich schien.

Mit dem Studium in Freiburg wird es nun nichts mehr. Der junge Mann stirbt, getroffen von einem sibirischen Scharfschützen, „die schießen auf 300 Meter ein Loch in ein Markstück“. Eben gehört, und sogleich geschehen. Maschinengewehrsalven streichen über die Schützengräben, eine Panzerfaust fliegt mitten ins Bild, am Brunnen explodiert eine versteckte Mine, es wird reihenweise gestorben. Kleinste Unaufmerksamkeiten haben tödliche Folgen, in Sekundenbruchteilen, man scheut sich zu sagen: banal.

Aber banal sind diese Tode, gewöhnlich, weil alle sich daran gewöhnt haben, dass sie sich ereignen, zu jeder Stunde, überall, und das ist beinahe schlimmer noch als zu sagen, diese Tode seien sinnlos. Sinnlos sind sie gewiss, so sinnlos wie der Versuch, eine Telegrafenstation „zu besetzen und zu halten“, wie der Befehl lautet, der aufgehoben wird, als nur noch zwei oder drei Kameraden überlebt haben. Diese 270 Minuten des ZDF-Dreiteilers „Unsere Mütter, unsere Väter“, dessen dritter Teil heute Abend auf dem Programm steht, sind eine Lektion, wie es sie im Fernsehen wohl noch nicht gegeben hat, im Kino vielleicht, man denke an Bernhard Wickis Antikriegsfilm „Die Brücke“ von 1959.

Im Krieg gibt es keine Helden

Die Lektion ist, dass es im Krieg keine Helden gibt, auch nicht solche von der Art der glücklichen Nachgeborenen, die sich moralisch erhaben dünken über die, die damals dabei waren und mitmachen mussten, auf welche Weise auch immer. Denn mitmachen, das lehrt dieser Film, mussten alle, so wie Friedhelm Winter, der jüngere der beiden Brüder, die in den Krieg ziehen, der anfangs ein Totalverweigerer ist, als Feigling von den Kameraden verachtet, und der lernt, sein Leben zu bewahren, indem er schneller schießt als der Feind. „Der Krieg bringt das Schlechteste in uns hervor“, sagt Friedhelm 1941, kurz vor Beginn des „Unternehmens Barbarossa“, und 1943 muss ihm sein Bruder, der schneidige Oberleutnant Wilhelm Winter, beipflichten: „Du hattest recht.“ Da lebten die Männer seiner Einheit schon nicht mehr.

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Keine Erwartung auf ein HappyEnd

Dieser Film erteilt seine Lektion aus der Perspektive der jungen Leute, die in den Krieg geworfen werden, und er tut das in etlichen Szenen von der Front auch ganz wörtlich: indem er seine Protagonisten durch undurchdringliche Sümpfe schickt, durch Maisfelder, durch Wälder ohne Weg und Steg. Sie sehen buchstäblich nichts, die Soldaten, sie sind auf sich gestellt und müssen in jeder Sekunde mit einem Tod rechnen, der, wie die Mine im Sumpfwasser, womöglich schon unter ihren Füßen lauert. Das macht diesen Film so besonders, dass er dem Zuschauer keinen erhöhten Standpunkt bietet, kein Vorher-Wissen, wie es ausgehen wird, und schon gar keine Erwartung auf ein HappyEnd. Im Film weiß keiner, was als Nächstes passiert. Woher auch!

Und das genau ist die Perspektive, die eine nun auch schon ältere Generation aus den Berichten ihrer Eltern kennt, aus knappen Bemerkungen, Lebensklugheiten, sei es von der Ostfront oder aus den Luftschutzkellern des Bombenkrieges. In dem Dreiteiler gewinnen diese Worte ihren visuellen Ausdruck, sie werden zu Bildern, die sich ins Gedächtnis einprägen werden, als Synonyme für „Krieg“. Das ist eine große Leistung, schauspielerisch und filmtechnisch sowieso. Das Wichtigste aber ist, dass wir, die Zuschauer, jetzt eine Sprache bekommen, in der wir sprechen können über das, was zumeist unaussprechlich schien; wir, die wir das unendliche Glück haben, damals nicht dabei gewesen zu sein.

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