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US-Wahl: Der Tesatest

Konturlos (Obama) gegen skrupellos (McCain) – welches Etikett bleibt haften?

Er hatte versprochen, keinen Schmutzwahlkampf zu führen. Jetzt, drei Monate vor der Wahl, setzen die Werbevideos von John McCain auf Rufmord, Sachthemen kommen kaum noch vor.

Barack Obama hatte eine neue Politik versprochen. Er werde zu seinen Überzeugungen stehen und sich nicht Lobbyisten oder Umfragen beugen. Solchen Opportunismus nannte er „old politics“. Inzwischen lässt sich kaum noch zählen, wie viele seiner „Überzeugungen“ er mit Blick auf die Hauptwahl nach Mitte-rechts verlagert hat. Jüngstes Beispiel: Er will nun doch mehr Ölbohren vor den US-Küsten zulassen; den Bürgern ist Aktion(ismus) gegen den Benzinpreis jetzt wichtiger als die Umwelt.

McCain wirft die Skrupel über Bord, Obama verliert an Kontur. Und die Wahlkampfexperten in den USA streiten über den Tesatest: Welches Etikett bleibt haften?

McCains jüngste „negative ads“ stellen Obama als arroganten Jungpolitiker dar, dem der Erfolg den Kopf verdreht und der weder Erfahrung noch Kontakt zum Alltag der Amerikaner habe. Er halte sich angeblich für „The One“ oder für „divine“, einen von Gott Gesandten, sagt die Sprecherstimme in einem Video zu Bildern von jubelnden Massen. Dann wird die Spielfilmszene eingeblendet, in der Moses (gespielt von Charlton Heston) die Wogen des Roten Meeres für das Volk Israel teilt, gefolgt von der zweifelnden Frage: „Aber kann er (Obama) führen?“ In einem anderen Filmchen wird Obama zu Bildern der Skandalprominenten Paris Hilton und Britney Spears als „biggest celebrity“ der Welt verspottet – auch hier mit der Schlussfrage: „Aber kann er führen?“

McCain muss Obamas Wunschbild zerstören, wonach der Demokrat der Kandidat sei, der dringend nötigen Wandel bringt. Denn dann sähe er alt aus, im wörtlichen Sinn und weil McCains Sachpositionen denen des Amtsinhabers Bush zu sehr ähneln. Obamas erfolgreiche Weltreise hat McCain neutralisiert. Die Rufmordkampagne interessiert die Medien weit mehr.

Obamas inhaltliche Schwenks sind genauso kühl kalkuliert. Er hat die öffentliche Wahlkampffinanzierung aufgegeben. Er unterstützt neuerdings die Todesstrafe bei Kindesvergewaltigung ohne Todesfolge und die Freiheit des Waffentragens selbst in kriminalitätsgeplagten Großstädten. Er hofiert sogar die religiöse Rechte, indem er einige von Bush geförderte, glaubensgestützte Hilfsprogramme beizubehalten verspricht. Linke Demokraten mögen das als Verrat empfinden. Aber die werden am Ende zähneknirschend für ihn stimmen, wenn sie nicht McCain im Weißen Haus sehen wollen.

Schwieriger ist für Obama die Frage, wie er auf McCains Charakterangriffe reagiert. Sofort zurückschlagen! So lautet die Lehre aus John F. Kerrys Niederlage gegen Bush 2004. Aber Obama darf sich nicht auf dasselbe Niveau begeben – nicht weil er ein besserer Mensch ist, sondern weil sein Image davon lebt, dass er respektvoll vorgeht.

Die Verlagerung weg von den Sachthemen hin zu den Charakterbildern nützt McCain. Er verkörpert das klassische Amerika, die Hautfarbe eingeschlossen.

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