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Donald Trump, Präsidentschaftsbewerber der Republikaner in den USA.

© REUTERS

US-Wahlkampf: Donald Trump - mehr als Straßentheater

Aus der blonden Lachnummer wurde der Favorit der Grand Old Party. Donald Trump als 45. Präsident der USA? Diese düstere Aussicht für Europa ist nicht ausgeschlossen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Donald Trump war die geniale Parodie einer Republikaner-Kandidatur; von der blonden Überzeichnung einer Herrenfrisur, den politisch unkorrektesten Beleidigungen bis zu einer aus der Zeit gefallenen Feindlichkeit gegen alle außer dem weiß-männlichen Mittelmaßamerikaner. Scharfmacher Ted Cruz wirkte daneben wie ein braver Christ aus Texas, der mehr aus Versehen für die Ultras der Tea-Party im amerikanischen Senat gelandet war. Eine bessere Sommershow konnte man sich nicht wünschen.
Die ersten Umfragen von der republikanischen Basis konnte man noch dem Straßentheater zuschreiben. Aber Trumps Werte hielten sich stoisch. Man begann, den Clown einen Demagogen zu nennen. Man sah in ihm das Sprachrohr einer relevanten Wählergruppe am rechten Rand. Und irgendwann ist aus der blonden Lachnummer dann der Favorit der Grand Old Party geworden. Mit einem Mal schien denkbar, dass Donald Trump für die Republikaner ins Rennen ums Weiße Haus ziehen könnte. Die Demokraten nahmen’s gelassen; gerade neben Trump galt ein Wahlsieg Hillary Clintons schon als ausgemacht. Das könnte sich als zu leichtfertig erweisen.

„Ökonomischer Nationalismus“

In dieser Woche hat sich Sarah Palin, die heilige Mutter der Tea-Party-Bewegung, formal hinter Trump gestellt. Palin führt Trump vor der ersten Parteiabstimmung am 1. Februar in Iowa das große Lager der Evangelikalen zu. Ob Trump hier gewinnt oder verliert, es entscheidet noch nichts. Erst in einigen Monaten wird feststehen, wer die Republikaner vertreten soll. In die liberalen wie die konservativen Debatten hat sich jedoch jetzt ein Gedanke eingeschlichen: Trump, es ist nicht mehr auszuschließen, könnte womöglich der 45. Präsident der Vereinigten Staaten werden. Barack Obama hat seine letzte Rede an die Nation der Warnung vor dem Demagogen gewidmet. Die Zeitschrift „National Review“, eine führende Stimme im konservativen Lager, hat am Freitag eine Sonderausgabe gebracht, der Titel: „Against Trump“ („Gegen Trump“). Die Sorge in Washington wächst mit jeder Umfrage.

Es ist eine Mischung aus populistischer Fremdenfeindlichkeit und populistischer Politik der wirtschaftlichen Abschottung, die bei der Basis der Republikaner ankommt. „Ökonomischen Nationalismus“ nennt das David Frum, der frühere Redenschreiber für George W. Bush. Trumps Unterstützer haben vom wirtschaftlichen Aufschwung der Obama-Jahre nicht profitiert. Sie sehen nur, wie immer mehr derer, die anders als sie selbst aussehen, das Land bevölkern. Viele fürchten sich davor, das wenige mit den vielen Einwanderern teilen zu müssen. Sie haben sich von denen abgewandt, die ihnen die Lage eingebrockt haben: die Politiker in Washington mitsamt der eigenen Parteielite. Washington, sagt Trump ihnen, sei korrupt, jeder Berufspolitiker korrumpiert. Trump verspricht eine Mauer zu Mexiko und den Abbruch aller Freihandelsgespräche.

Die Angst ist nur kein republikanisches Privileg, genauso wenig die Entfremdung vom System Washington. Bei den Demokraten setzt, mit einer Attitüde der Volksnähe, der linke Senator Bernie Sanders Hillary Clinton unter Druck. Analysten finden hier Sympathien auch für Trump. In scharfem Gegensatz zu Clinton, Mitglied der politischen Elite, präsentiert sich auch der Milliardär Trump nicht zuletzt mit schlichter Redeweise als Mann des Volkes. Und dort gilt vielfach selbst Clintons Feminismus, sonst noch das Ehrlichste an der Kandidatin, als elitär.

Es ist ein Paradox: Die USA werden bunter, offener, moderner; der Demografie sei Dank. In diesem Wahlkampf aber ist davon nichts zu spüren. Optimismus ist anderswo, Aufbruch war einmal. Es überrascht kaum, dass die Wähler einer aktuellen Umfrage zufolge sagen, jeder der Kandidaten gäbe eher einen furchtbaren als einen guten Präsidenten ab. Und Hillary Clinton genießt noch weniger Vertrauen als Donald Trump.

Vielleicht tritt noch Michael Bloomberg an

Ein Mann, für den manche in England Einreiseverbot fordern, der die zunehmende Erderwärmung eine Erfindung der Chinesen nennt und der die US-amerikanische Staatsbürgerschaft Obamas anzweifelt, könnte die mächtigste Nation der Welt repräsentieren. Er ist noch lange nicht der Favorit fürs Weiße Haus, die Wut vieler Frauen, Latinos und Muslime hat er sich schließlich hart verdient. Und möglicherweise erwächst ihm in dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg auch noch ein neuer, ernst zu nehmender Gegenkandidat, wie die „New York Times“ an diesem Wochenende spekuliert. Aber inzwischen, sagt Frank Luntz, Berater im Republikanerlager und eine Art Guru der Meinungsforschung, könne er einen Sieg Trumps nicht mehr ausschließen. Das wäre, sagt er, „töricht“.

Trump weiß was er tut. Von Anfang an kannte er den politischen Raum, in dem Mehrheiten zu formen sind. Auf seinem Weg ins Weiße Haus würde Trump dann den Clown hinter sich lassen und zu Politikfähigkeit reifen. Das allerdings wäre vermutlich keine Entwicklung zum Besseren. Selbst den Konservativen graut vor einem solchen Isolationismus Trump’scher Dimension. Bei Trump, das ist die einzige Gewissheit, kann man gar nichts ausschließen. Nicht als Kandidat, genauso wenig wie im Amt. Für Europa wäre das eine düstere Aussicht.

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