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Meinung: Verdi: Die Kunst der (Gewerkschafts-)Arbeit

Gewerkschaften sind nicht gerade in Mode. Selbst die in diesen Tagen vollzogene Fusion von fünf Traditionsverbänden weckt außerhalb des Berliner ICC keine spürbare Begeisterung.

Gewerkschaften sind nicht gerade in Mode. Selbst die in diesen Tagen vollzogene Fusion von fünf Traditionsverbänden weckt außerhalb des Berliner ICC keine spürbare Begeisterung. Fast drei Millionen Arbeitnehmer aus tausend Berufen unter einem Dach - na und? Der kühnste Streich dieses Zusammenschlusses ist jedoch die Namensgebung. Ver.di suggeriert zunächst die Aura einer schicken Internetadresse. Zum anderen zeugt es von einem in diesen Kreisen ungewöhnlichen Kunstsinn, einen deutschen Gewerkschaftsverband, den größten der Welt, wie es heißt, nach dem größten italienischen Komponisten zu benennen. Und das mitten im Verdi-Jahr. In Verdis Opern geht es stets um den Konflikt zwischen Macht und Liebe. Am Ende verlieren die Liebenden, die Mächtigen stehen korrumpiert vor Trümmerhaufen. Die Opfer, meistens die Frauen, singen die schönsten Arien, die Guten siegen nur ausnahmsweise. Wahrscheinlich waren es nicht allein die nun bei Ver.di organisierten Orchestermusiker, die der Attraktion des Namens Verdi erlegen sind. Die Zusammenhänge sind vielfältig. Wirtschaftspolitik wird heute zwischen Wallstreet und Wien, Sitz der Opec, gemacht. Die europäischen, gar die deutschen Spielräume werden enger, je mehr die Globalisierung den multinationalen Konzernen das Steuerzahlen erspart. Wo die Macht sitzt, ist klar. Ver.di als Gewerkschaft derer, die das Privileg vergleichsweise fester Arbeitsverhältnisse haben, steht vor Konflikten, deren Dramatik opernreif sein wird. Wenn Frank Bsirske mit Ver.di nun auszieht, Guiseppe Verdi zu widerlegen, soll uns das recht sein. Solange es nicht bei der Liebe zum (eigenen) Arbeitsplatz bleibt und die Dienste, die zu leisten sind, mit jährlich zehn Prozent mehr Freundlichkeit geleistet werden.

F. C. Delius

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