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Meinung: Vergesst mir den Mainzer

Rudolf Scharping will nicht SPD-Vize bleiben

Es gibt etwas, das ist größer als er. Das ist, in seinem Verständnis, aber nur eines: die Sozialdemokratie. Und der erweist Rudolf Scharping, der vor einem Jahrzehnt geschickt wie kein anderer Gremien für sich einzusetzen verstand, mit seinem Rückzug aus der ersten Reihe einen Dienst. Jetzt kann sich die Partei, zumindest theoretisch, personell an der Spitze erneuern.

1995 ist Scharping nach zwei Jahren im Amt aus dem Vorsitz der SPD herausgewählt und als einer der vielen Vize wieder hineingewählt worden. Das aber vor allem deshalb, weil die Delegierten von Mannheim, auf dem „Putschparteitag“, ein schlechtes Gewissen hatten. Dort hatte Genosse Scharping, früher sogar „Genosse Scharfsinn“ genannt, die Lage völlig falsch beurteilt und war bitter bestraft worden. Nicht wenige hatten befürchtet, das werde ihm jetzt wieder passieren. Doch nein, diesmal geht Scharping, bevor er zum nächsten Mal gegangen wird. Ach, aber seine Gründe … Sie zeigen: Nicht die Lage, sich selbst schätzt er falsch ein.

Richtig ist, dass man sich als Sozialdemokrat um die SPD Sorgen machen muss, wie Scharping sagt; bei dem Mitgliederverlust und der allgemeinen Unlust bei den Anhängern. Falsch ist die Annahme, dass er aus einem anderen Amt der SPD besser dienen kann und dass er besser wüsste, was zu tun ist. Wenn das wirklich so wäre und seine ehrliche Auffassung – dann müsste er wieder antreten. Scharping ist klug beraten, das nicht auszuprobieren.

Nachdem der jüngste der Brandt-Enkel ausscheidet, wird die SPD nun also neue Leute an der Spitze ausprobieren. Genauer: Sie kann den Aufbruch in die Zukunft wagen. Mit dem Fünfziger Kurt Beck anstelle von Scharping: Der Mainzer Ministerpräsident hatte sich vorgenommen, die Partei inhaltlich mitzuprägen, über die Kommunalpolitik. Daraus ist nichts geworden. Mit der Enddreißigerin Ute Vogt anstelle von Renate Schmidt, die ebenfalls ausscheidet: Sie wollte bei den Inhalten vorneweg marschieren, jung, dynamisch, kritisch. Jung ist sie geblieben; und Staatssekretärin bei Otto Schily geworden. Wolfgang Thierse und Heidemarie Wieczorek-Zeul, die beiden Sechziger, wollen bleiben, was sie sind. Kurzum: Da bleibt für Aufbruch, der Zukunft verspricht, kein Platz. Eigentlich. Leer gehen bisher diejenigen aus, die im Netzwerk arbeiten, Vierziger wie Sigmar Gabriel und Matthias Platzeck. In anderen Parteien haben sie das Sagen. Dabei galten beide vor nicht allzu langer Zeit als ideales Tandem, als Hoffnung für eine Zukunft nach Gerhard Schröder. Vielleicht tritt einer von beiden an.

Die Zukunft kommt. Immer. Was kommt, ist ungewiss. Und hätte es der Parteivorsitzende auch gerne anders: Das gilt auch für den Parteitag. Es gibt für manche nämlich etwas, das ist größer als er.

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