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Gerd Nowakowski

© Kai-Uwe Heinrich

Vergleichstest: Bildungsreformen brauchen Zeit

Nichts nützt: Warum Berlins Drittklässler noch schlechter lesen und rechnen können als früher.

Hat wirklich jemand etwas anderes erwartet als ein miserables Abschneiden der Berliner Drittklässler beim bundesweiten Vergleichstest in Lesen und Rechnen? Deprimierend bleibt dennoch, dass die Grundschüler im Schnitt nur jede zweite Aufgabe lösen konnten. Gegenüber dem Vorjahr sind die Ergebnisse noch schlechter geworden. Wird es denn nie besser? Bleibt Berlin im Bundesvergleich auf die allerletzten Plätze abonniert?

Immerhin hat es in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren insgesamt 24 Reformen gegeben – von früherer Einschulung und jahrgangsübergreifendem Lernen bis zum verkürzten Abitur und der Abschaffung der Hauptschule. Geholfen hat es nicht. Bestätigen die niederschmetternden Ergebnisse im Nachhinein sogar den erwogenen Boykott der Vergleichsarbeit durch Lehrer, die befürchteten, ihre Schüler würden von den zu schweren Aufgaben überfordert? Nein, Berlin muss sich dem Vergleich mit den anderen Bundesländern stellen, auch wenn es wehtut. Nur dann kann es anders werden.

Natürlich haben auch Berliner Kinder hervorragend beim Vera-Test abgeschnitten, so wie Berlin hervorragende Abiturienten hat. Nach unten gezogen wird das Gesamtergebnis aber von der stetig wachsenden Zahl von Kindern aus bildungsfernen deutschen und migrantischen Hartz-Familien. Das ist die Realität der gespaltenen Berliner Milieus.

Falsch sind damit nicht alle Reformen; sie brauchen nur sehr viel mehr Zeit, bis sie wirken. Wenn umstrittene Neuerungen wie das jahrgangsübergreifende Lernen in den ersten Klassen mit überforderten Kindern und Lehrern hinzukommt, gehen die Leistungen zusätzlich nach unten.

Entscheidend sind die ersten Lebensjahre. Deswegen muss Berlin noch mehr tun, um gefährdete Kinder möglichst früh dem elterlichen Einfluss zu entziehen. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky hat sogar den verpflichtenden Kita-Besuch ab dem ersten Lebensjahr vorgeschlagen. Und Kitas müssen die frühkindlichen Bildungseinrichtungen werden, von denen der Senat nur spricht. Sie müssen außerdem schon vor der Einschulung mit den Grundschulen eng zusammenarbeiten. Das wirkt. Die Weddinger Erika-Mann-Grundschule, die trotz mehr als achtzig Prozent Migrantenkindern beim Vergleichstest respektabel abschnitt, tut dies seit Jahren.

Der Regierende Bürgermeister hat beim gestrigen Schulbesuch in Marzahn-Hellersdorf seine Skepsis gegenüber dem jahrgangsübergreifenden Lernen bekundet. Wie hilfreich. Warum sein Bildungssenator dennoch alle Schulen gegen den Widerstand vieler Eltern zum umstrittenen JüL zwingen darf, hat Klaus Wowereit nicht gesagt. Schon 2006 hat er erklärt, er würde seine Kinder auch nicht in Kreuzberg einschulen. Konsequenzen? Seitdem sind die Testergebnisse nur schlechter geworden.

Da freut eine gute Nachricht aus Berlin: Bei der gebildeten Mittelschicht steigt die Geburtenrate – ganz ohne Sarrazins Fertilitätsprämie. So löst sich das Schulproblem vielleicht auch irgendwann.

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