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Keine Einigung, doch die diplomatischen Gespräche über den Syrien-Konflikt gehen weiter: US-Außenminister John Kerry, UN-Sondergesandter Lakhdar Brahimi und Russlands Außenminister Sergej Lavrov.

© dpa

Verhandlungen im Bürgerkrieg: Syriens Chemiewaffen: Der hohe Preis der Diplomatie

Die C-Waffen kommen unter Kontrolle, das Morden bleibt ungestraft und der Diktator an der Macht: Diese Entwicklung zeichnet sich in Syrien ab. Doch die Alternativen zur Diplomatie muten noch schrecklicher an.

Zu Wochenbeginn war die Erleichterung groß: Ein US-Angriff auf Syrien lässt sich vermeiden. Russen und Amerikaner reden wieder miteinander. Die Diplomatie erhält ihre Chance. Nun aber wachsen die Zweifel, wie rasch die Giftgas-Abrüstung gelingen kann, ob sie den Frieden überhaupt näherbringt, ob sie Baschar al Assad schwächt oder sein Regime ungewollt sicherer macht – und welche Absichten Moskau verfolgt.

Man sollte die Hoffnung nicht gleich fahren lassen. Wenn Syrien endlich der Chemiewaffenkonvention beitritt und sein Giftgasarsenal unter UN-Kontrolle stellt, ist das ein Fortschritt. Noch hat Assad allerdings nicht unterzeichnet, und selbst die Signatur eines solchen Mannes garantiert nicht, dass er die Verpflichtungen erfüllt. Zudem sind die Gasangriffe auf Zivilisten nur ein Teil des grausamen Kriegsalltags, das Morden mit konventionellen Waffen geht weiter.

Immer klarer zeigt sich, wie schwierig das Unterfangen wird. Wie sollen Abrüstungsexperten in Kampfgebieten C-Waffen einsammeln? Wer schützt sie vor Angriffen und Entführungen? Das geht nicht ohne Bodentruppen. Bisher will niemand Soldaten senden. Das eingesammelte Giftgas muss vernichtet werden, nur wie und wo? Es gibt nicht genug Entsorgungskapazitäten. Die USA und Russland haben 1993 begonnen, ihre Arsenale zu vernichten, diese Aufgabe 20 Jahre später noch nicht vollendet. Für Syrien gäbe es einfachere Lösungen – falls Assad die C-Waffen tatsächlich abgibt: weg damit in ein Wüstengebiet und kontrolliert verbrennen. Ökologisch einwandfrei wäre das natürlich nicht. Aber dafür machbar.

Solche schwierigen Fragen sind kein Grund, den Plan gleich wieder aufzugeben. Sie lehren jedoch, dass auch Frieden seinen Preis hat. Auch Pläne mit dem Etikett „diplomatische Lösung“ bringen Widersprüche und moralische Dilemmata mit sich. Hieß es nicht bis vor kurzem: Ein Diktator, der mehr als hunderttausend Bürger tötet, muss abtreten und vor Gericht? Nun wird Assad als Verhandlungspartner rehabilitiert und sein Sturz weniger wahrscheinlich. Sein einziges Zugeständnis für die Rettung ist die vage Zusage, die C-Waffen abzugeben.

Wer Militärschlägen das Wort redet, muss sich rechtfertigen vor denen, die sagen, Krieg sei keine Lösung. Das ist gut so. Barack Obama werden all die Widersprüche seiner Syrien-Politik vorgehalten, zu Recht. Ähnlich nüchtern sollte man die neue Initiative betrachten. Auch Diplomatie ist nicht per se eine Lösung; es hängt davon ab, was sie erreicht. Zwei Jahre lang haben Russland und China alle ernsthaften Verhandlungen blockiert. Moskaus neue Gesprächsbereitschaft ist allein der Interventionsdrohung der USA zu verdanken. Man muss also hoffen, dass Obama das Druckmittel beibehält. Wladimir Putin ist kein Friedensengel. Ihm geht es offenkundig nicht um Frieden, Völkerrecht oder Autorität der UN. Er blockiert den Sicherheitsrat auch jetzt weiter und setzt stattdessen auf bilaterale Gespräche mit den USA. Russland war der Lieferant der syrischen C-Waffen. Da wird also der Bock zum Gärtner gemacht – freilich mit einem praktischen Vorteil. Russland sollte wissen, welche Kampfstoffe Syrien hat und in welchen Mengen.

Die C-Waffen kommen unter Kontrolle, das Morden bleibt ungestraft und der Diktator an der Macht – darf man diese Entwicklung, die sich im besten Fall abzeichnet, eine „Lösung“ nennen? In Fällen wie Syrien gibt es keine gute Lösung. Der Preis für die Diplomatie erscheint unmoralisch hoch – die Alternativen indes muten noch schrecklicher an.

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