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Taliban-Kämpfer in Afghanistan lassen sich vermummt und schwer bewaffnet ablichten.

© Reuters

Verhandlungen mit Taliban: Politik als Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln

USA und Nato ändern ihre Strategie in Afghanistan und sprechen mit den Taliban. Trotz allen Misstrauens gegen diesen Feind ist das die richtige Strategie. Ein Kommentar.

Es ist nicht leicht, in all den schlechten Nachrichten aus Afghanistan einen Strahl Hoffnung zu finden. Dieses Wochenende brachte Neuigkeiten, die den Blick nach vorn richten: Die Nato spricht mit den Taliban über ein Ende der Kämpfe und eine Nachkriegsordnung. Manche wird das empören: Verhandeln mit einem Feind, der Anschläge auf deutsche Soldaten und ihre Verbündeten verübt? Und der die Menschenrechte ignoriert, deren Verteidigung für viele im Westen die Rechtfertigung für diesen Krieg bedeutet?

Annähernd zehn Jahre ist die Nato in Afghanistan im Einsatz. Die Bilanz ist eine bittere Lehre über die Grenzen westlichen Einflusses auf die Entwicklung einer Gesellschaft mit so andersartiger Kultur, Religion und Geschichte. Der Auslöser ist darüber fast in Vergessenheit geraten: der Angriff auf New York mit gekaperten Flugzeugen an 9/11. Das Talibanregime hatte dem Terrornetzwerk Al Qaida Gastfreundschaft für seine Anschlagsplanungen und Ausbildungscamps gewährt. Das Hauptziel der Militäraktion der USA und ihrer Verbündeten war es, neue Terrorangriffe auf westliche Städte zu verhindern. Der erste Teil der Strategie ist der leichtere. Diktatoren stürzen über kurz oder lang, wenn die Nato ihre Militärmacht entschlossen einsetzt: in Kabul genauso wie zuvor auf dem Balkan, später in Bagdad und demnächst in Tripolis. Doch ihr Ende garantiert noch nicht den Übergang zu einer stabilen und gerechteren Ordnung. Die wäre nötig, damit solche Länder nicht bald wieder zurückfallen. In Afghanistan war die Lage extrem schwierig. Seit mehr als dreißig Jahren herrscht Bürgerkrieg; viele sind es gewohnt, vom Krieg zu leben. Was der Westen erreichen wollte, war nicht falsch: die Taliban besiegen; Schulen, Wege und Brunnen bauen; Polizisten und Soldaten ausbilden, damit Afghanen für Sicherheit und Ordnung sorgen; und den Menschen Hoffnung geben, dass sie in einer Friedenswirtschaft ein besseres Auskommen finden. Doch die Erfolge blieben begrenzt.

Clausewitz wird gern mit dem Satz zitiert, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Die Umkehrung ist ebenso richtig: Politik ist die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln. Die bedingungslose Kapitulation der Taliban ist nicht zu erreichen. Man muss sie gewinnen für eine Ordnung, in der Interessenkonflikte ohne Waffen ausgetragen werden. Damit die Nato-Soldaten endlich heimkehren können.

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