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Meinung: Verhöhnen und spalten

Die rot-grüne Rita-Ranküne um das Schloss Bellevue oder warum eine Bundespräsidentin Süssmuth der Sache der Frauen nicht dienlich wäre

Wie viel Skrupellosigkeit ist erlaubt, weil es das Spiel um die Macht eben so erfordert? Sehr viel meinen die meisten, die schon lange im Geschäft sind und nur noch müde lächeln, wenn ein Politiker nicht-egoistische Motive ins Feld führt. Man fängt an, schiere Machtpolitik irgendwie ehrlicher zu finden. So erklärt es sich wohl, dass ein angesehener und kluger Kollege von der FAZ die rot-grüne Idee, Rita Süssmuth als Bundespräsidentin zu nominieren, „genial" nannte. Tatsächlich ist dieser Plan eher ein Beispiel dafür, dass allzu viel Perfidie blind macht.

Die Finte wurde im Regierungslager ersonnen, auch von dessen klügsten Machiavellisten. Ihr Kalkül ist klar: Man möchte mit dem Frauenargument und der Lockung, jemanden aus dem bürgerlichen Lager wählen zu können, bei der Bundesversammlung die knappe christliberale Mehrheit brechen. Denken wir politisch, denken wir vom Ende her. Was wären die Folgen, wenn der Coup gelänge? Erstmals würde jemand Präsident durch politischen Hochverrat am eigenen Lager. Natürlich hat es immer wieder kleine Intrigen um die Wahlen zum Präsidenten gegeben, schließlich geht es um Macht. Doch nach der Wahl wurden die Gewählten meist rasch zu Bundespräsidenten aller. Weil sie ihr Amt so führten und weil in der Härte der Mehrheitsentscheidung nichts Verletzendes liegt, sondern etwas demokratisch Normales. Bei Süssmuth wäre das anders, sie könnte nie zur Präsidentin aller werden, weil das bürgerliche Lager ihre Arbeit dauerhaft ignorieren würde. Sie würde nolens volens spalten statt zu versöhnen.

Und das Lager, das sie dann gewählt hat? Vorsichtig gesagt: Diejenigen bei Rot-Grün, die sich diese Intrige ausgedacht haben, halten Rita Süssmuth für eine honorige Nervensäge und gehen ihr aus dem Weg. Außerdem denken sie offenbar, dass sie eitler ist als klug, damit sie sich auf diese Himmelfahrt überhaupt einlässt. Süssmuth dürfte also zur einsamsten Präsidentin werden, die es je gab.

Die zweite Folge einer Wahl von Süssmuth wäre, dass auf viele Jahre hinaus eine Frau im Kanzleramt verhindert würde. Denn es gibt in Union und SPD nur eine, die dafür in Frage käme: Angela Merkel. Und der würden Schröder und Fischer mit einer Niederlage in der Bundesversammlung machtpolitisch endgültig den Garaus machen. Deshalb, nicht weil der Staat keine zwei Frauen an der Spitze ertragen könnte, wäre das ein Bärinnendienst für die Sache der Frau. Insofern bleibt rätselhaft, wieso sich die Vorzeigefrau der SPD, Renate Schmidt, für diese Kampagne instrumentalisieren lässt. Hat man ihr etwa damit gedroht, sie andernfalls selbst aufzustellen?

Die Rita-Ranküne ist weniger genial als eitel, weil sie so leicht durchschaubar ist. Die Planer vermuten zu viel Klugheit bei sich selbst und zu viel Einfalt bei anderen. Ziemlich stupide müssten AbweichlerInnen im bürgerlichen Lager sein. Man wird bei den rot-grünen Strategen an Menschen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gedacht haben. Sie hat sich ja schon vor Jahren als Gutmensch disqualifiziert, als sie vom Amt der Justizministerin zurücktrat – nur wegen der eigenen Glaubwürdigkeit! So eine, denkt man, ist bestimmt gutmenschig genug, Süssmuth ihre Stimme zu geben, weil sie ja so liberal ist und so Frau. Pech, Leutheusser-Schnarrenberger ist leider doch nicht dumm. Sie nannte den Plan bereits öffentlich ein „widerliches Spielchen". Es scheint also zweifelhaft, dass sich in der Bundesversammlung genug politisch Minderschlaue finden, die Süssmuth wählen.

Darum muss man zudem bezweifeln, dass die rot-grünen Superstrategen nun noch eine relevante Frau finden, die für sie antritt, nachdem die Herren mit der Süssmuth-Idee ihr Desinteresse am Amt und ihre Motive so überdeutlich enthüllt haben. Bestimmt erweist sich auch ihre Hypothese als falsch, dass Süssmuth eitler als klug ist. Man kann ihr nur wünschen, dass sie schleunigst abwinkt. Und man muss nebenbei hoffen, dass es sich bei der ganzen Idee bloß um einen Anfall von geistiger Ummachtung handelt. Johannes Rau hat gesagt, es sei legitim, wenn bei der Präsidentenwahl auch machtpolitische Erwägungen eine Rolle spielten, es sei aber nicht in Ordnung, wenn nur so gedacht würde. Hören die Herren eigentlich noch zu?

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