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Meinung: Verpasste Chance

DIE UNION

Richtig stolz war der Bundeskanzler am Freitag auf die „eigene Mehrheit“, die die rotgrüne Koalition bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform auf die Beine brachte. Nicht Gerhard Schröder, sondern Joschka Fischer sprach die ganze Wahrheit aus. Rot-Grün hatte nur eine Mehrheit, weil 23 Unionsabgeordnete nicht an der Abstimmung teilnahmen. Hätte die Fraktionsvorsitzende, Angela Merkel, Präsenz angeordnet, wäre eine „eigene“ Mehrheit der Koalition vermutlich nicht zustande gekommen. Das wiederum hätte den Kanzler blamiert, der ja die Zukunft des Regierungsbündnisses von dessen Fähigkeit abhängig gemacht hatte, eine Mehrheit aus eigener Kraft zu mobilisieren. Warum aber hat Angela Merkel nicht getan, was doch ihre oberste Pflicht gewesen wäre – den politischen Gegner in Schwierigkeiten zu bringen? Vielleicht war es ja kluges Kalkül, sagen Beobachter, die in Merkel die kühl-abwägende Schachspielerin sehen. Sie konnte nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Coup gelingen würde. Auch in Reihen der Unionsabgeordneten gibt es Kranke und Unzuverlässige. Außerdem bieten sich bald spektakulärere Abstimmungsthemen, bei denen Rot-Grün noch zerrissener ist. Eine verpasste Chance war es in jedem Fall. Weil Politik eben auch Wettstreit ist, muss man den Ehrgeiz anstacheln und die Möglichkeiten nutzen, bei denen sich Corpsgeist und Fraktionssolidarität herausbilden können. Und hatte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz die CDU nicht erst gerade provozierend aufgefordert, sie solle erst einmal ihre Führungsprobleme lösen? Nein, eine aufrüttelnde und zupackende Angela Merkel hätte der Unionsfraktion und ihrem öffentlichen Bild am Freitag besser getan als die Taktikerin. Denn dass sie die Situation nicht erfasst haben könnte, glaubt wohl keiner. apz

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