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Meinung: Viel Rauch um nichts

Blamage für zwei Staatssekretäre: Im Kampf gegen blauen Dunst bleibt der Bund außen vor

Viel peinlicher geht es kaum. Da hat sich eine „Experten“-Truppe der Koalition unter Vorsitz von zwei Staatssekretären monatelang dem Thema Nichtraucherschutz gewidmet und dann mit Getöse ihren mühsam errungenen Kompromiss verkündet: Rauchverbot in Restaurants, Diskotheken, Amtsstuben, Schulen, Kliniken und öffentlichen Verkehrsmitteln. Ausgenommen bleiben sollten Kneipen, Bars und Bierzelte.

Nun, nach dem Einspruch von Justiz- und Innenministerium, ist plötzlich weit mehr ausgenommen – nämlich all das, was in den Kompetenzbereich von Ländern und Kommunen fällt: Schulen, Landratsämter, Kreiskrankenhäuser, Gaststätten… Der Bund wird sein Rauchverbot für die wenigen Behörden erlassen, für die er wirklich zuständig ist und sich ansonsten ganz bescheiden aufs Wünschen beschränken. Asche aufs Haupt. Aber hätte man die Grenzen des Regierungshandelns nicht vorher ausloten und sich die Blamage ersparen können?

Natürlich hätte man das. Die Politik hat das Gaststättenrecht erst kurz vorher höchstselbst den Ländern zugeschanzt. Und Fachleute verschiedenster Couleur hatten wiederholt darauf verwiesen, dass ein bundeseinheitliches Rauchverbot allenfalls über den gesetzlichen Arbeitsschutz machbar ist. Das jedoch wollten die Verhandler nicht hören, weil es ihnen keine Ausnahmen ermöglicht hätte: Wie hätte man auch begründen sollen, dass der Restaurantkellner das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz hat, der Barmann jedoch nicht?

So versuchte man es mit der Begründung, dass der Bund doch auch für den Gesundheitsschutz zuständig sei. „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren“ sind ihm laut Grundgesetz schließlich erlaubt, auch an den Ländern vorbei. Sind Lungenkrebs und Raucherbein gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten, die ein schnelles Handeln des Bundes nötig machen? Sind wir alle von der wild um sich greifenden Seuche Tabak bedroht? Egal, alles lässt sich in die eigene Richtung interpretieren. Und den Vorteil dieses Weges hat die frühere Drogenbeauftragte Caspers-Merk klar benannt: eine größere „Flexibilität“ für die von der Union gewünschten Ausnahmen. Wobei es ihr Geheimnis bleibt, warum die Gesundheit von Pizzeriabesuchern oder Diskotänzern stärker zählt als die von Kneipengängern. Weil’s bei denen und ihrem Alkoholkonsum ohnehin nicht mehr so drauf ankommt?

Wie auch immer, es war ein fauler Kompromiss. Gut, dass er vom Tisch ist. Die Debatte beginnt von vorn, dank der kundigen Arbeitsgruppe. Vielleicht seien die Länder jetzt sensibler geworden durch den Vorstoß des Bundes, ist ganz verlegen zu hören. Aber ein Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen ist auch nicht das, was dem Land und seinen Nichtrauchern gut tut. Bevor wir zum Gespött unserer EU-Nachbarn werden, die hier deutlich weiter sind: Vielleicht rafft sich die Koalition ja doch noch auf zu konsequentem Arbeitsschutz mit einem generellen Rauchverbot für alle Gaststätten? Schön wär’s.

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