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Joffe

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Vier Fragen an Josef Joffe: Hellas 2.0 und Frankreich à la Hollande

Immer wieder montags im Tagesspiegel: Vier Fragen an "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe. Heute zum Bundespräsidenten (2), zu Griechenland und zu Frankreich.

Bundespräsident Christian Wulff, 51, tritt zurück. Was soll er jetzt machen?

Er könnte endlich viel Geld verdienen und sich den Lebensstil finanzieren, der ihm gebührt, indem er eine Beratung für „Compliance“ aufmacht – Wirtschaftsdeutsch für unternehmerisches Wohlverhalten.

Das Regularium ist inzwischen so dick wie das deutsche Steuergesetz und befasst sich mit geldwerten Vorteilen, Bestechung, Gefälligkeiten und dergleichen – siehe zum Beispiel die große Schmiergeldaffäre, die Siemens erschüttert hat.

Wulff hat inzwischen sehr viel dazugelernt und kann so deutschen Unternehmen helfen, Fallstricke frühzeitig zu erkennen und das Personal zu schulen. Aber auch Politiker und Parteien könnten sich als dankbare Klienten erweisen. So wird alles gut.

Der deutsche Finanzminister und der griechische Präsident tauschen Schläge aus. Wer wird gewinnen?

Keiner. Die Griechen werden sich den Auflagen beugen und die Deutschen bezahlen müssen. Was indes ein Gewinn für den Euro und für Europa wäre. Hier geht es nicht nur um den sterilen Streit zwischen Austerität und Hartz IV für Hellas, sondern um einen gescheiterten Staat, der von Grund auf erneuert werden muss.

Es geht um Hellas 2.0, das nicht länger die Beute von gut organisierten Interessen ist, das Einnahmen und Ausgaben ins Lot bringt und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufbaut. Dafür soll es auch Hilfe geben. Einfach nur Geld pumpen beseitigt nicht die Ursachen, die Griechenland in die Pleite getrieben haben.

Nicolas Sarkozy will Präsident von Frankreich bleiben. Wie kann er die Wahlen noch gewinnen?

Indem er seinem Volk die Wahrheit sagt: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, unsere Wirtschaft durch Gruppenprivilegien und einen Gesellschaftsvertrag gelähmt, der unsere Wettbewerbsfähigkeit eingeschnürt hat. Mein Rivale Hollande verspricht euch aber mehr von dem, was uns geschwächt hat. Allons enfants de la patrie, packen wir’s an.“

Leider funktioniert ein solcher Wahlkampf nicht, deshalb wird Sarkozy wahrscheinlich im zweiten Wahlgang abschmieren.

Ein Wort zum Bundespräsidenten …

Das Wort von der „Beschädigung“ des Amtes ist wohlfeiler Unsinn. Erstens steht das Amt noch in seiner ganzen Pracht, das Dach des Bellevue ist nicht eingestürzt. Trotz zweier Rücktritte und zweier Bewohner, die dem Amt nicht ganz gewachsen waren, gilt noch immer und unverrückbar das Betonfundament der Artikel 54–61 des Grundgesetzes. Allein deren Beschädigung kann das Amt unterminieren, nicht das Fehlverhalten eines Präsidenten in seinem früheren Leben.

Präsidenten kommen und gehen, die Verfassung bleibt bestehen. Das ist der Unterschied zwischen Weimar und der Zweiten Deutschen Republik.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Moritz Schuller.

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