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Meinung: Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Ganz Deutschland redet, teils mit Empörung, teils mit Bewunderung über Joschka Fischers militante Vergangenheit. Gibt es in der Weltpolitik einen Rebellenbonus?

Ganz Deutschland redet, teils mit Empörung, teils mit Bewunderung über Joschka Fischers militante Vergangenheit. Gibt es in der Weltpolitik einen Rebellenbonus?

Nur dann, wenn die Herren Rebellen diesen Gestus ablegen. Als Frankfurter "Putzgruppen"-Chef stand Joschka auf jenem glitschigen Abhang, auf dem ein weniger intelligenter Mensch in den Terrorismus hätte rutschen können. Erst die Abkehr von der organisierten Randale und die langsame Hinwendung zum "Realo" hat ihn Anfang der Neunziger ministrabel gemacht. Wenn F. überhaupt einen Bonus hat, dann den des "Verlorenen Sohnes", der bekanntlich immer besser dasteht, als der brave Daheimgebliebene, der pünktlich sein zweites Staatsexamen gemacht hat.

Das Preußenjahr hat begonnen. Was kann die rot-grüne Regierung von der preußischen Außenpolitik lernen?

Nicht viel. Preußens Karriere begann mit Eroberung und endete in Eroberung. Kaum war der damals noch Junge Fritz (28) auf dem Thron, da raubte er seiner Ewig-Feindin Maria Theresia die Habsburg-Provinz Schlesien. Im Siebenjährigen Krieg hat es ihn fast erwischt: Da stand er alleine gegen eine gesamteuropäische Koalition. Das war der "Albtraum der Koalitionen", der auch Bismarck ein Leben lang traumatisierte, nachdem Preußen 1870/71 Deutschland erobert hatte. Wilhelm II. und Adolf I. wurde dieser cauchemar des coalitions zum Verhängnis; 1945 wurde Preußen von den Alliierten abgeschafft. Wenn Preußen überhaupt ein Vorbild ist, dann ein negatives: dass sich Deutschland nicht überheben möge und Europa aus einer prekären Mittellage her zu beherrschen suche.

In Europa sind Soldaten an Krebs gestorben. Daran soll die uranhaltige Munition der Nato im Kosovo-Krieg schuld sein. Jetzt hört man ähnliches aus den USA. Was haben wir davon zu halten?

Jetzt hört man zumindest über Sammelklagen aus den USA. Interessant, dass diese erst organisiert wurden, nachdem die italienischen Krebsfälle ruchbar geworden waren. Immerhin hantieren sowohl US- als auch britische Soldaten seit Jahren mit panzerbrechenden Geschossen aus "abgereichertem", also nicht-aktivem Uran. Aber wir leben in einer verwirrenden Welt, in der wir zwecks schneller Sinnstiftung (oder Anspruchs-Sicherung) atemlos Zusammenhänge konstruieren, die sich Hunderte von statistischen Studien später als Zufälle entpuppen. Zwischenzeitlich heißt es, Fleisch aus dem Mund und Handys vom Ohr zu verbannen - und vor allem: nie den Fuß auf die Ritze zwischen zwei Trottoir-Platten zu setzen.

Ein Wort zur deutschen Außenpolitik ...

Unser Kanzler hat sich am Wochenende bei Putin einen alten Wunsch erfüllt: innerhalb von zwei Wochen gleich zweimal Weihnachten zu feiern. Der Neid aller deutschen Kinder ist ihm gewiss. Freilich sollten wir derlei Têtes-à-têtes nicht durch Kinderaugen betrachten. Regierungschefs mögen sich im Privaten näherkommen (siehe Helmut Kohl und Boris Jelzin in der Sauna), aber Interessengegensätze zwischen den Nationen werden anderswo überbrückt: am Verhandlungstisch, und dann durch do ut des. Oder auf neudeutsch: give-and-take.

Ganz Deutschland redet[t], teils mit Empörung[t]

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