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Joffe

© promo

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Die Welt wählt Geld statt Gewalt, legt die Peitsche weg und sagt ja zum Yankee und nein zum Socialismo.

„Das Schlimmste ist vorüber“, sagt François Hollande über die Eurokrise. Hat er recht?

Jein. Wir erleben gerade eine Pause, die von der EZB und dem Rettungsschirm ESM finanziert wird und so die Kurzfrist-Zinsen der Krisenstaaten halbiert hat. Zehn-Jahre-Papiere bleiben nach wie vor hoch, und das zeigt, dass die Märkte ihr Vertrauen in Madrid, Athen und Co. nicht wiedergefunden haben. Solange diese Länder nicht ihre Hausarbeiten gemacht haben, bleibt die EU eine Transfer- und Schuldenunion, aber solange das Geld fließt, können sie nach der Devise verfahren: „Eile mit Weile.“ WmdW würde Kurzläufer, aber keine Langläufer kaufen.

Vor einem Jahr wurde Gaddafi erschossen. Wie hat sich Libyen seitdem gemacht?

Jedes arabische Frühlingsland hat seinen eigenen Herbst: Bürgerkrieg in Syrien und im Jemen, Islamisierung in Ägypten und Tunesien, Unterdrückung in Bahrain. Die libysche Variante heißt „Milizionarisierung“. Bewaffnete Gruppen marodieren durchs Land und wollen entweder ein Stück Territorialmacht oder Positionen im Kabinett. Die bessere Nachricht ist, dass die Koalition des Liberalen Machmud Dschebril die meisten Sitze in den Wahlen errungen hat, aber nicht die Mehrheit. Die Jungs mit den Kalaschnikows werden das Land so schnell nicht zur Ruhe kommen lassen, zumal auch Al Qaida mitmischt. Noch eine gute Nachricht: In der Staatskasse sammeln sich Milliarden an Ölgeldern. Geld schlägt manchmal Gewalt.

Kubas Führung verspricht Reisefreiheit. Ist das das Ende des Insel-Sozialismus?

Ja, aber das Regime weiß es noch nicht – so denn die USA die alte Praxis beibehalten, jedem Kubaner Asyl und dann Einbürgerung zu gewähren, der es über die „Karibische Mauer“ geschafft hatte (Haie und tückische Strömungen). Ab Januar darf jeder bis zu zwei Jahre lang wegbleiben, der nicht zum „geistigen Kapital der Revolution“ gehört, also den hochqualifizierten Berufen. Der Sog aus den USA ist unwiderstehlich, leben dort doch schon knapp zwei Millionen Ex-Insulaner, davon die Hälfte in der Miami-Region. Hiesige Freunde des „Socialismo si, Yanqui no“-Systems sollten schleunigst eine Reise nach Kuba buchen, weil es bald umgekehrt sein wird: Sozialismus nein, Yankee ja.

Ein Wort zur deutschen Außenpolitik …

Merkel hat in der Eurokrise die Peitsche weggelegt und das Portemonnaie geöffnet – mit Unterstützung der rot-grünen Opposition. Der Rest sind Nachhut-Gefechte, wie mit dem Franzosen Hollande. Wenn die Pause (siehe Frage 1) anhält, erkauft sie sich so elf Monate Ruhe bis zu den deutschen Wahlen. So denn die Märkte auch Ruhe geben und die Kosten der Transferunion überschaubar bleiben. Und sich Europa aus seinem Nullwachstum befreit.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Fragen: mos.

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