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Am 3. November stimmt Berlin über die Rekommunalisierung des Energiesektors ab. Aber - ist das nötig?

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Volksentscheid in Berlin: Es gibt Wichtigeres als das Stromnetz zu kaufen

Zumindest so wie es SPD und CDU anstellen, wird die Rekommunalisierung nicht funktionieren, findet Sabine Beikler. Und überhaupt: warum Millionen in Netze investieren und nicht in Wohnungen?

Von Sabine Beikler

Bei einem dahinplätschernden Wahlkampf gehören etwas Säbelrasseln und kleine Muskelspiele dazu. Ausgerechnet die wichtige Energiepolitik haben sich Berlins Koalitionsparteien SPD und CDU dafür ausgesucht. Soll die Stadt ein eigenes Stadtwerk aufbauen und das Stromnetz übernehmen? Der Energietisch fordert in seinem Volksentscheid am 3. November die Gründung eines Stadtwerks und einer kommunalen Netzgesellschaft. Es geht um komplexe Entscheidungen. Dafür ist Sachverstand erforderlich, keine taktischen Spielchen.

Zumindest so wie es SPD und CDU anstellen, wird die Rekommunalisierung nicht funktionieren. Berlin bewirbt sich mit dem landeseigenen Unternehmen Berlin Energie neben anderen Konkurrenten um die Konzession. Dabei ist das Stromnetz ein durchregulierter Markt. Jede Art von erzeugtem Strom muss eingespeist werden. Der Netzbetrieb an sich erlaubt also keinen direkten Einfluss auf die Stromerzeugung mit dem Ziel, erneuerbare Energien zu fördern oder zum Beispiel soziale Stromtarife zu ermöglichen. Die SPD agiert in der Stromnetz-Frage nicht einheitlich.

Der Regierende Klaus Wowereit und Finanzsenator Ulrich Nußbaum sehen im landeseigenen Betrieb des Stromnetzes keinen Mehrwert. Die SPD-Linke einschließlich Parteivorstand und Fraktion dagegen ist der Meinung, Stromnetze gehörten zur öffentlichen Daseinsvorsorge - ungeachtet unklarer finanzieller Konsequenzen. Zum Beispiel ist nicht klar, wie viel ein Kauf des Netzes kosten würde. Denn darüber wird erst nach Konzessionsvergabe 2014 verhandelt. Die CDU würde die Stromnetze am liebsten bei den privaten Anbietern belassen, hat sich aber auf den Kompromiss eingelassen, dass sich das Land für die Konzession bewirbt und mindestens 51 Prozent Anteile anstrebt. Ihre Bauchschmerzen, hoffen die Christdemokraten, mögen sich im Vergabeverfahren in Wohlgefallen auflösen.

Anders schaut es mit dem Stadtwerk aus, auf das sich die Koalition geeinigt hat. Das soll ausschließlich erneuerbare Energie produzieren, es wäre der 317. Stromanbieter in Berlin. Nur: Wo soll das Stadtwerk angesiedelt sein? Bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), wie es die SPD will, die BSR dagegen nicht? Oder bei der von der CDU favorisierten Energieagentur? Und warum legt SPD-Stadtentwicklungssenator Michael Müller nicht einen Businessplan auf den Tisch, obwohl das Gesetz zur Gründung eines Stadtwerks seit Dezember im parlamentarischen Verfahren schmort? Zeit genug hätte die Koalition gehabt, diese Fragen auszuräumen. Und zu rechnen. Denn eine Rekommunalisierung ist hochriskant.

Das Land hat 63 Milliarden Euro Schulden, will ab 2015 keine neuen Schulden machen, die Schuldenbremse wirkt ab 2020. Woher soll das Geld kommen? Diese Fragen sind im SPD-regierten Hamburg längst geklärt. Dort stimmen die Bürger am 22. September per Volksbegehren über die Rekommunalisierung ab. 2009 hat Hamburg ein Stadtwerk gegründet. In der Anfangsphase wurde das Werk mit acht Millionen Euro jährlich bezuschusst. Im Berliner Haushalt sind gerade mal 1,5 Millionen Euro pro Jahr für ein Mini-Werk angesetzt. Und was das Stromnetz betrifft, hat Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz eine klare Position: Warum Milliarden in Netze investieren - statt in Wohnungen?

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